Anis – aktueller Forschungsstand (Stand: 2014)

Autor/en: 
Prof. Dr. med. habil. Christian GüldnerFacharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde

Wissenschaftliche Studien zu Anis (Pimpinella anisum), der Heilpflanze des Jahres 2014

Für das Jahr 2014 wurde durch den NHV Theophrastus der Anis (Pimpinella anisum) zur Heilpflanze des Jahres gekürt. Eine Broschüre des Vereins über die Anispflanze (Autorin: Anke Herrmann) gibt einen allgemeinen Überblick zu Herkunft, Zusammensetzung und Anwendung der Heilpflanze des Jahres.

Die folgenden Informationen sollen die aktuellen wissenschaftlichen Trends sowie bisherigen medizinischen Forschungserkenntnisse wiedergeben. Dazu wurde eine Literaturrecherche unter der Verwendung spezieller Literaturdatenbanken durchgeführt.

Wirkung auf Muskulatur und das Nervensystem

Die untersuchten Wirkungen von Pimpinella anisum auf das Nervensystem unterliegen einem breiteren Spektrum.

Gute Beobachtungen konnten für die Behandlung epileptischer Anfälle gesammelt werden. In einer Studie von M. Abdollahi Fard und A. Shojaii1 konnte belegt werden, dass ein Extrakt des ätherischen Öls aus den Früchten des Anises (effektive Dosis: 200 mg/kg Körpergewicht) die Schwelle der epileptischen Krampfanfälle erhöhen und somit die subjektive Lebensqualität und anfallsfreie Zeit im Vergleich zur Standardtherapie (Phenobarbital: 40 mg/kg Körpergewicht) verbessern konnte. Zu Grunde liegende zelluläre Mechanismen sind die Regulation von Kalziumkanälen durch den Anis, die das Membranpotential verändern und somit die krampfauslösende Schwelle erhöhen2 3 4, was im Umkehrschluss in einer geringeren Neigung zu Krampfanfällen resultiert.

Ebenso konnte durch die Anwendung hydroalkoholischer Anis-Extrakte eine muskelrelaxierende Wirkung festgestellt werden, die auf der Aktivierung des NO-cGMP-Signalweges beruht4.

Eine Gruppe um Samojlik konnte eine deutliche Interaktion hinsichtlich der Wirkung von Psychopharmaka belegen, so dass teilweise die Wirkung des Medikaments durch Anis aufgehoben bzw. relevant abgeschwächt wird5. Dies hat entsprechend positive und negative Aspekte, was in der Anwendung von Anis bewusst beachtet werden sollte.

Antibiotische, antifugale und antivirale Wirkungen

Die antibiotische Wirkung von Pflanzenextrakten ist seit mehreren Jahrhunderten bekannt und wird in der Therapie gezielt eingesetzt. Das große Interesse und Potential an genannter Wirkung der Anispflanze belegen verschiedene Untersuchungen mit Einsatz gegen unterschiedliche pathogene Bakterien- bzw. Pilzstämme. Dabei konnten folgende Wirksamkeiten nachgewiesen werden:

Eine Arbeitsgruppe um Akhtar6 untersuchte die antimikrobielle Wirkung von mit Wasser, 50%igem Methanol, Aceton oder Petroleum gemischten Anisextrakten gegen vier häufig auftretende pathogene Bakterienstämme (Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes, Escherchia coli, Klebsiella pneumoniae). Eine nachgewiesene wachstumsinhibierende Wirkung konnte nur bei den wässrigen und alkoholischen Extrakten erzielt werden. Aceton und Petroleum-Etherextrakte zeigten hingegen keine Wirkung.

Andere vergleichende Untersuchungen7 8 ergaben, dass alkoholische Extrakte einen hemmenden Einfluss auf pathogene Bakterienstämme erzielten, wässrige Extrakte jedoch nicht auf gramnegative Bakterien (Pseudomonas aeroginosa, Escherichia coli) reagierten. Diese erzielten jedoch eine antifugale Wirkung (Candida albicans).

Kosalic et. al. untersuchten die unterschiedliche Wirkungsweise von fluiden Extrakten des Anises und dessen ätherischen Öls. Dabei konnte gezeigt werden, dass die fluiden Extrakte v.a. antimykotische (Candida albicans, C. parapsilosis, C. tropicalis, C. pseudotropicalis, C. krusei) und antidermatophytische Wirkung (Trichophyton rubrum, T. mentagrophytes, Microsporum canis, and M. gypseum) besitzen. Das ätherische Öl wirkte v. a. gegen Hefen und Dermatophyten (C.parapsilosis, C. albicans, C. glabrata, Geotrichum spp).9

Es wurde beobachtet, dass Anis zum einen eine antimikrobielle Wirkung gegen Escherichia coli aufzeigt und gleichzeitig die Wirkungsweise zeitgleich angewendeter, konventioneller Antibiotika verstärkte10.

Außerdem wurde der Nachweis einer Reduktion von Magen-Darm-Beschwerden über die antimikrobielle Wirkung gegen Helicobacter pylori erbracht.11

Desweiteren konnte eine antifugale Wirkung gegen Aternaria alternata, Aspergillus niger, und Aspergillus parasiticus gezeigt werden12.

Durch Isolation von drei Lignin-Carbohydrate-Protein-Komplexen (LC1, LC2, LC3) mit antiviraler und immunstimulierender Wirkung aus einem Heißwasserextrakt der Samen des Anis konnten Wirkungen gegen Herpes Simplex Virus Typ 1 und 2, gegen Cytomegalie-Virus und Masern-Virus beobachtet werden13 14.

Durch Prajapati und Mitarbeiter konnte eine relevante Wirkung gegen Moskito-Larven im Sinne des Abtötens belegt werden15.

Beet mit Anis © NHV Theophrastus

Beet mit Anis © NHV Theophrastus

Verschiedenes

Auch Wirkungen auf Fettstoffwechsel und Verdauung konnten beobachtet werden. In einer randomisierten klinischen Studie von Picon et al. wurde Patienten mit chronischer Verstopfung eine phytotherapeutische Verbindung aus Anis (Pimpinella anisum), Fenchel (Foeniculum vulgare), Schwarzem Holunder (Sambucus nigra) und Tinnevelly Senna (Cassia angustifolia) verabreicht und sowohl die Darmpassagezeit als auch die Stuhlgänge pro Tag beobachtet und dokumentiert. Die Ergebnisse der Studie belegen eine signifikante abführende Wirkung, da sich die Darmpassagezeit verkürzte, während sich die Anzahl der Stuhlgänge pro Tag erhöhte16. In einer weiteren Studie konnte eine aktivierende Wirkung auf die pankreatische Lipase beobachtet werden und somit ein positiver Effekt auf den Fettstoffwechsel belegt werden.17

Die Wirkung der Anispflanze in Bezug auf gynäkologische Beschwerden wie Menstruationsbeschwerden oder Hitzewallungen in der Menopause wurde ebenfalls untersucht. Khoda Karami et al. untersuchten die Wirkung von getrockneten Auszügen des Anises auf die Schmerzentwicklung bei Menstruationsbeschwerden und konnten eine signifikante Reduktion der Schmerzen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit Placebogabe belegen18. Auch die Häufigkeit und Intensität von Hitzewallungen während der Menopause konnten durch Gabe von drei Kapseln mit Anisextrakt (100 mg) pro Tag über vier Wochen hinweg positiv beeinflusst werden19. Die regelmäßige Einnahme von Anis während der Schwangerschaft zeigte keine Komplikationen während der Schwangerschaft bzw. keinen negativen Einfluss auf das Kind20.

Außerdem konnte eine antiinflammatorische Wirkung durch in der Anispflanze enthaltene Phenylpropanoide über Beeinflussung des NFᴋB-Signalweges gefunden werden21.

Resümee

Die ausgewerteten Studienergebnisse verdeutlichen die nachweisbaren, sanften und vielfältigen Wirkungen der Anispflanze und ihrer Bestandteile und zeigen verschiedene neue Therapiemöglichkeiten auf, z. B. im antimikrobiellen Bereich oder auch in der Behandlung von Epilepsieanfällen, Menstruationsbeschwerden oder Obstipationen. Dies bildet eine Anregung, Erkrankungen vermehrt auf pflanzlicher Basis zu behandeln und weitere Wirkungen zu untersuchen.

Die Literatur ist auf Nachfrage beim Verfasser oder über das Organisationsbüro erhältlich.

2014


  1. M. Abdollahi Fard, A. Shojaii, “Review of Pharmacological Properties and Chemical Constituents of Pimpinella anisum”, International Scholarly Research Network ISRN Pharmaceutics, Volume 2012, Article ID 510795, 8 pages, 2012.

  2. M. H. Pourgholami, S. Majzoob, M. Javadi, M. Kamalinejad, G. H. R. Fanaee and M. Sayyah, “The fruit essential oil of Pimpinella anisum exerts anticonvulsant effects in mice,” Journal of Ethnopharmacology, vol. 66, no. 2, pp. 211–215, 1999.

  3. M. R.Heidari and M. Ayeli, “Effects of methyl alcoholic extract of Pimpinella anisum on picrotoxin induced seizure in mice and its probable mechanism,” Scientific Journal of Kurdistan University of Medical Science, vol. 10, no. 3, pp. 1–8, 2005.

  4. A. S. Abdul-Ghani, S. G. El-Lati, and A. I. Sacaan, “Anticonvulsant effects of some Arab medicinal plants,” International Journal of Crude Drug Research, vol. 25, no. 1, pp. 39–43, 1987.

  5. C. R. Tirapelli, C. R. de Andrade, A. O. Cassano et al., “Antispasmodic and relaxant effects of the hidroalcoholic extract of Pimpinella anisum (Apiaceae) on rat anococcygeus smooth muscle,” Journal of Ethnopharmacology, vol. 110, no. 1, pp. 23–29, 2007.

  6. A. Akhtar, A. A. Deshmukh, A. V. Bhonsle et al., “In vitro Antibacterial activity of Pimpinella anisum fruit extracts against some pathogenic bacteria,” VeterinaryWorld, vol. 1, no. 9, pp. 272–274, 2008.

  7. I. Gulcin, M. Oktay, E. Kirecci, and O. I. Kufrevioglu, “Screening of antioxidant and antimicrobial activities of anise (Pimpinella anisum L.) seed extracts,” Food Chemistry, vol. 83, no. 3, pp. 371–382, 2003.

  8. D. A. Ates and O¨ . T. Erdogrul, “Antimicrobial activities of various medicinal and commercial plant extracts,” Turkish Journal of Biology, vol. 27, pp. 157–162, 2003.

  9. I. Kosalec, S. Pepeljnjak, and D. Kuatrak, “Antifungal activity of fluid extract and essential oil from anise fruits (Pimpinella anisum L., Apiaceae),” Acta Pharmaceutica, vol. 55, no. 4, pp. 377–385, 2005.

  10. Darwish, R.M, A Aburjai, T., “Effect of ethnomedicinal plants used in folklore medicine in Jordan as antibiotic resistant inhibitors on Escherichia coli”, BMC Complementary and Alternative Medicine 2010, 10:9

  11. Robles-Zepeda, R.E. et. al., „ Antimicrobial Activity of Northwestern Mexican Plants Against Helicobacter pylori “,JOURNAL OF MEDICINAL FOOD J Med Food 14 (10) 2011, 1280–1283

  12. M. M. Ozcan and J. C. Chalchat, “Chemical composition and antifungal effect of anise (Pimpinella anisum L.) fruit oil at ripening stage,” Annals ofMicrobiology, vol. 56, no. 4, pp. 353–358, 2006.

  13. H. S. Shukla, “Antiviral properties of essential oils of Foeniculum vulgare and Pimpinella anisum L,” Agronomie, vol. 9, no. 3, pp. 277–279, 1989.

  14. J. B. Lee, C. Yamagishi, K. Hayashi, and T. Hayashi, “Antiviral and immunostimulating effects of lignin-carbohydrateprotein complexes from Pimpinella anisum,” Bioscience, Biotechnology and Biochemistry, vol. 75, no. 3, pp. 459–465, 2011.

  15. V. Prajapati, A. K. Tripathi, K. K. Aggarwal, and S. P. S. Khanuja, “Insecticidal, repellent and oviposition-deterrent activity of selected essential oils against Anopheles stephensi, Aedes aegypti and Culex quinquefasciatus,” Bioresource Technology, vol. 96, no. 16, pp. 1749–1757, 2005.

  16. P. D. Picon, R. V. Picon, A. F. Costa et al., “Randomized clinical trial of a phytotherapic compound containing Pimpinella anisum, Foeniculum vulgare, Sambucus nigra, and Cassia angustifolia for chronic constipation,” BMC Complementary and Alternative Medicine, vol. 10, article 17, 2010.

  17. Abubakar Ado, M. et al., „Anti- and Pro-Lipase Activity of Selected Medicinal, Herbal and Aquatic Plants, and Structure Elucidation of an Anti-Lipase Compound“, Molecules 2013, 18, 14651-14669.

  18. N. Khoda Karami, F. Moattar, and A. Ghahiri, “Comparison of effectiveness of an herbal drug (celery, saffron, Anise) and mephnamic acid capsule On primary dismenorrhea,” Ofoghe Danesh, vol. 14, no. 1, pp. 11–19, 2008.

  19. F. Nahidi, M. Taherpoor, F. Mojab, and H. Majd, “Effect of Anise extract on hot flush of menopause,” Pajoohandeh, vol. 13, no. 3, pp. 167–173, 2008.

  20. Al-Ramahi, R. et al., “Use of herbal medicines during pregnancy in a group of Palestinian women”, Journal of Ethnopharmacology 150, 79–84, 2013.

  21. Tabanca, N. et Al., „Effect of Essential Oils and Isolated Compounds from Pimpinella Species on NF-κB: A Target for Antiinflammatory Therapy“, Phytother. Res. 21, 741–745, 2007.

Prof. Dr. med. habil. Christian GüldnerFacharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde

Christian Güldner ist seit 2007 als Hals-, Nasen- und Ohrenarzt tätig. In diesem Zusammenhang ist er außerplanmäßiger Professor der Technischen Universität Dresden und seit 2017 geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie am Klinikum Chemnitz gGmbH. Neben der Begleitung von Patienten haben sowohl klinisch orientierte Forschung als auch Lehre und Weitervermittlung von Wissen und Fertigkeiten für ihn einen besonderen Stellenwert.