Bemerkenswertes zur Koloquinte

Autor/en: 
Dipl.-Ing. (FH) Maria VogelPharmazie-Ingenieurin

Wasserquelle für Tiere

Trotz ihrer Bitterkeit sind Koloquinten oft die letzte Wasserquelle für Strauße, Gazellen, Addax und Oryx (Antilopenarten), Esel, Nagetiere und Heuschrecken.1

Bitterkeit schützt

„Das Fruchtfleisch schmeckt meist so bitter, dass ernsthafte Vergiftungen selten sind.“1

Textilschutz

„Um Wolle und Zeltstoffe gegen Insektenbefall zu schützen, werden sie mit einer Abkochung aus den Samen und dem getrockneten Fruchtfleisch gewaschen.“1

Qualität

Ein Test mit Koloquinten aus Indien, Südspanien, Marokko, Burkina Faso und Ägypten ergab, dass die marokkanischen Früchte über den höchsten Gehalt an Cucurbitacinen verfügen. Ob dies genetische, geografische oder klimatische Gründe hat, konnte noch nicht herausgefunden werden.
Das trockene Klima einer Produktionsstätte in Errachidia (Marokko) – nur wenige Kilometer vor der Sahara – ist für die Trocknung der Koloquinten so optimal wie sonst kaum woanders! Hier können die Früchte frei von Aflatoxinen (Pilzgifte) getrocknet werden.2

„Zauberhafte“ Koloquinte?

In Marokko spielte die Koloquinte eine besondere Rolle im Liebeszauber:

„Trägt ein junger Mann die Frucht in seiner Tasche, oder ein Stück der Frucht in einem Amulett bei sich, gelingt es ihm, ein Mädchen für sich zu interessieren. Tut das gleiche eine verheiratete Frau, will sie sich von ihrem Mann trennen und einen anderen Mann für sich gewinnen. Nachdrücklich wurde betont, dass junge unverheiratete Mädchen ein solches Amulett nicht benutzen.“3

Lebensmittelschutz

In Nordmarokko sollen Koloquinten in die einheimischen Getreidesilos gelegt werden, um die Vorräte gegen den Kornwurm zu schützen.3

Perkutane Wirkung

In Saudi-Arabien ist es bekannt, dass sogar das Barfußlaufen auf den zerdrückten Koloquintenfrüchten ausreicht, um ihre abführende Wirkung einsetzen zu lassen – wahrscheinlich weil die Wirkstoffe leicht perkutan (über die Haut) aufgenommen werden.4

Koloquintenwasser und -tinktur

Koloquintenwasser wurde zur Herstellung von Kleister verwendet, „um Insekten von den mit K(leister) gearbeiteten Sachen abzuhalten“ und um Beschädigung von ausgestopften Tieren durch Insekten vorzubeugen, benutzte man Koloquintentinktur.5

Schutz der Wasserschläuche

Mit einer Abkochung der Koloquinte bestrichen die Berber ihre Wasserschläuche, um die Dromedare am Durchbeißen derselben zu hindern.5

Vorkommen in Südspanien

In einsamen Gegenden und Trockenflussbetten des gesamten Küstengebietes von Almeria (Provinz in der Region Andalusien in Südspanien) kam die Koloquinte früher noch sehr häufig vor. Heute ist sie in Gebieten um Nijar, Carboneras und Huércal-Overa nur noch selten anzutreffen.6

„Tuera”

Im Spanischen ist für die Koloquinte u. a. der Begriff „tuera“ gebräuchlich. Dieser wird für mehrere Giftpflanzen verwendet (z. B. auch für Aconitum napellus oder Digitalis purpurea). „Tuera“ ist in der spanischen Alltagssprache ein Synonym für „bitter“.6

Pflanzendünger

In der Umgebung von Nijar und Rodalquilar (in der Provinz Almeria in Andalusien) wurde die Koloquinte als Düngemittel beim Pflanzen von Bäumen verwendet, indem die Früchte in das Pflanzloch gegeben wurden.6

Traditionelle Anwendungen in Spanien

Die Koloquintenfrucht wurde von Diabetikern verwendet, da man glaubte, dass sie ihrer Bitterkeit wegen einen Kontrast zum Blutzucker bildet und diesen gesunden lässt.
Aus Übermittlungen ist auch bekannt, dass die Samen gegessen wurden, um Magengeschwülste zu heilen.
Zur Heilung von Skorpionbissen wurde das Fruchtfleisch auf die Bisswunde aufgetragen.6

Frucht der Koloquinte © Gabriele Hanke

Frucht der Koloquinte © Gabriele Hanke

Wandersammler

In den 30iger Jahren des 20. Jahrhunderts gab es Tagelöhner, die in das Gebiet um Nijar (Provinz Almeria) kamen, um Koloquinten zu ernten. Sie bauten Hütten für die Lagerung und verkauften sie später an Apotheken und pharmazeutische Labors.6

Tierfutter

Die Koloquinte wurde auch als Futtermittel verwendet:
Die Samen der Frucht werden sowohl von Tauben als auch Hühnern gefressen.
Clemente y Rubio (ein bekannter spanischer Botaniker des 18. Jahrhunderts) beschreibt die Verwendung der Koloquinte als Futtermittel auf Cabo de Gata (Halbinsel im Südosten Spaniens), wo sie von Eseln und Ziegen gefressen wurde.6

Säuglingesentwöhnung

Des bitteren Geschmackes wegen soll der Saft zur Entwöhnung von Säuglingen angewendet worden sein, sowohl beim Stillen als auch beim Daumenlutschen und beim Schnuller.7

Schutz von Obstbäumen

In der spanischen Landwirtschaft wurde der Saft auf die Stämme und Äste der Obstgehölze ausgebracht um ein Anfressen derselben durch Ziegen und Schafe zu verhindern.7

Vorkommen in Indien

Die Koloquinte kommt wildwachsend auf sandigen Böden Nord-West-Indiens vor, im Panjab und Sind, Zentral- und Südindien und an der Koromandelküste (südöstliche Meeresküste Indiens).8

Anwendung in indischen Heilsystemen

Die Koloquinte findet auch im Ayurveda, Siddha (traditionelle ganzheitliche Heilsysteme in Indien) und Unani (Kombination verschiedener traditioneller Medizinsysteme) Verwendung.8

Traditionelle Verwendung in Indien

Das Öl aus den Samen wird bei Schlangenbissen eingesetzt, bei Skorpionstichen, Darmbeschwerden (Dysenterie, Diarrhoe), Epilepsie und auch für das Wachstum und die Schwärzung des Haares.
Eine Pille aus Koloquintenwurzel zu gleichen Teilen mit Langpfeffer vermischt, wird bei Rheuma empfohlen.8

Name auf Hindi

Citrullus colocynthis heißt auf Hindi: Mahendravaruni.9

Schutz vor Bodenerosion

In der Nähe von Surat und Karachi wurde die Koloquinte zusammen mit Ipomoea pescaprae (Strandwinde) experimentell angebaut, um Sandverwehungen zu verhindern.10

Farbzusatz

Koloquinten-Abkochung als Zusatz zur Wandfarbe war zur Vertreibung von Wanzen und anderem Ungeziefer bekannt.11

Import aus dem Orient

Im 18. Jahrhundert kamen die Früchte…

„…in Kisten gepackt, sonderlich von Alexandrien in Ägypten, imgleichen von Aleppo, dem wüsten Arabien, und anderen Orten im Orient, über Massilien und andere Seehäfen nach Europa“.12

Trochisci Alhandal

Trochisci Alhandal war ein geschätztes Abführmittel, für welches Koloquintenmark unter Zusatz von Tragantschleim oder Gummi arabicum zu Kügelchen oder Täfelchen verarbeitet wurde.13

Schutz vor Insekten

Die Bitterstoffe Cucurbitacin B und D, welche außer in der Koloquinte auch in anderen Gurken- und Kürbisgewächsen vorkommen können, schützen die Pflanzen vor Insektenfraß. Gleichzeitig wirken sie hemmend auf die Fortpflanzung von Insekten.14

Cucurbitacine - nicht nur in der Koloquinte

Die Cucurbitacine kommen in den Früchten und deren Samen von Gurke, Zucchini, Kürbis und Melone vor, teilweise auch als Glukosid.

„Angaben über die Gehalte der unterschiedlichen Cucurbitacine in Gemüse sind rar. In Zucchini und einem bitteren gelben Kürbis wurden 60 und 310 mg Cucurbitacin-E-glucosid pro 100 g Feuchtsubstanz gemessen.“14

Cucurbitacine in Kürbissen

Die Cucurbitacine – Inhaltsstoffe, welche nicht nur in der Koloquinte, sondern auch in anderen Cucurbitaceaen vorkommen – sind mittlerweile aus kultivierten Kürbisgewächsen herausgezüchtet. Manchmal sind sie in Zierkürbissen aber immer noch enthalten. Da sich letztere aber mit Speisekürbissen kreuzen, können auch Speisekürbisse Cucurbitacine bilden.15

Wirkstoffe der Koloquinte in Gurken

Wenn ein bitterer Geschmack bei Gurken auftritt, meist am Stielende, so sind hierfür Cucurbitacine, die auch die Hauptwirkstoffe der Koloquinte sind, verantwortlich.

„Heute werden zwar hauptsächlich cucurbitacinfreie Sorten produziert, aber auch diese können unter ungünstigen Wachstumsbedingungen in seltenen Fällen Bitterstoffe bilden.“16

Sprachgebrauch im Orient

Der typische bittere Geschmack der Koloquinte wird vergleichend in vielen Sprichwörtern oder blumigen Beschreibungen des Morgenlandes gebraucht:

„Die Koloquinte schmeckt dem Glücklichen süßer als die Feige dem Unglücklichen.“
„Besser Koloquinten aus der Hand des Freundlichen, als Zucker vom Närrischen.“
„Koloquinten aus der Hand eines Sanftmüthigen sind annehmbarer, als Leckerbissen von einem finstern Trotzkopfe.“17

2012


  1. Schatanek, Verena; Elkharassi, Hocine: Sahara – Tiere, Pflanzen, Spuren, Kosmos-Verlag, Stuttgart 2006

  2. Bericht von Bioprospektor Thomas Friedrich, Marokko, 2011

  3. Venzlaff, Helga: Der marokkanische Drogenhändler und seine Ware, Ein Beitrag zu Terminologie und volkstümlichem Gebrauch traditioneller arabischer Materia medica, 1. Auflage, Franz Steiner Verlag GmbH, Wiesbaden 1977

  4. Annals of Tropical Medicine and Parasitology, Vol. 89, No.6, 695–696 (1995)

  5. Mayers Konversations-Lexikon, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885–1892

  6. Francisco Torres Montes: Nombres y usos tradicionales de las plantas silvestres en Almería, Diputación de Almería, Instituto de Estudios Almerienses 2004

  7. Informationen von Thomas Bay, Spanien, 2012

  8. Dr. K. M. Nadkarni’s Indian Materia Medica, Band 1, Popular Prakashan, Bombay 1954

  9. Dr. P. N. Varma, Dr. Indu Vaid: Encyclopaedia of Homoeopathic Pharmacopoeia & Drug Index, B. Jain Publishers, New Delhi 2007

  10. R.N. Chopra, S.L. Nayar, I.C. Chopra: Glossary of Indian Medicinal Plants, Teil 1, Publications & Information Directorate (1956), New Delhi

  11. www.vidwest.net

  12. D. Johann Geoerg Krünitz: Oekonomische Enzyklopädie, oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus und Landwirtschaft (1773–1858), www.kruenitz1.uni-trier.de

  13. Arzneiverordnungslehre von Dr. Philipp Phoebus, 2. Theil, Spezielle Arzneiverordnungslehre, bei August Hirschwald, Berlin 1836

  14. Prof. Dr. Horst Schmandtke: Cucurbitacine mit Antikrebswirkung in Gurken- und Kürbisgewächsen, in Ernährung 2008, 2:222–226, DOI 10.1007/s12082-008-0179-7, Springer Gesundheits- und Pharmazieverlag 2008

  15. http://www.experto.de

  16. Lieberei, R. et al.: Nutzpflanzenkunde, 7. Aufl., Thieme, Stuttgart 2008

  17. Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon Band 5., Leipzig 1880

Dipl.-Ing. (FH) Maria VogelPharmazie-Ingenieurin