Der Aderlass

Autor/en: 
André ZweinigHeilpraktiker

Nach Hippokrates erzeugt eine Überfüllung mit Blut Entzündungen und Schmerzen. Daraus ergebend wurde der Aderlass als eines der wichtigsten entzündungshemmenden Mittel angewendet. Auch wenn es in Bezug auf Aderlass Epochen gab, in denen diese Methode übertrieben angewendet wurde, lohnt es sich nachzuprüfen, in wieweit die vielfältigen Anwendungsbeispiele vergangener Jahrhunderte auch heute noch aktuell sind.

Mit folgender etwas polarisierender Aussage wollte der österreichische Arzt Dr. Bernhard Aschner (1883–1960) den Lesern seines Buches die für ihn große Bedeutung des Aderlasses vor Augen führen:

„Wenn irgendetwas den nachteiligen Einfluss des radikalen Wechsels von der Humoral- zur Zellularpathologie dartun kann, so ist es die heutige fast vollständige Verkennung von der Unentbehrlichkeit der Blutentziehungen in jedem vernünftigen Heilsystem. Unzählige Menschenleben sind diesem dogmatischen Irrtum unnötigerweise zum Opfer gefallen.“1

Nach Hippokrates erzeugt eine Überfüllung mit Blut Entzündungen und Schmerzen.
Daraus ergebend wurde der Aderlass als eines der wichtigsten entzündungshemmenden Mittel angewendet. Auch wenn es in Bezug auf Aderlass Epochen gab, in denen diese Methode übertrieben angewendet wurde, lohnt es sich nachzuprüfen, in wieweit die vielfältigen Anwendungsbeispiele vergangener Jahrhunderte auch heute noch aktuell sind.

Aderlass wird heute meist, wenn überhaupt, bei einer Erhöhung der Anzahl der roten Blutkörperchen (Plethora vera), bei der Hämochromatose (eine Erkrankung des Eisenstoffwechsels) und bei diversen venösen Stauungen angewendet.

Grundsätzlich wird eine Vene an einer geeigneten Stelle (meist Ellenbeuge) mittels Kanüle geöffnet. Das herausströmende Blut wird aufgefangen und verworfen, weil es im Krankheitsfall nach alter Sichtweise, unter anderem Schlacken enthält, welche somit aus dem Körper entfernt werden.
Die Menge des herauszulassenden Blutes hängt vom Geschlecht, Alter und Zustand des Patienten ab. Meist hört das Bluten nach ca. 200–300 ml von selbst auf.
Blutentziehungen in diesen Ausmaßen wurden und werden nur bei Personen gemacht, die eine dementsprechende „Blutfülle“ zu bieten haben. Bei bleichen, meist dünnen Personen, die oft auch unter Blutarmut leiden, ist diese Methode zu schwächend und darf nicht angewendet werden.

Hufeland schreibt dazu, dass ein großer, voller und schneller Puls (bei Fieber) nötig sei.

Folgende Wirkungen wurden festgestellt:

  • Verminderung des Blutvolumens;
  • entstauend, blutverdünnend;
  • Anregung der Blutneubildung;
  • Verbesserung der Verformbarkeit der roten Blutkörperchen;
  • Verminderung der Blutgerinnung;
  • Verbesserung der Mikrozirkulation;
  • antientzündlich, krampflösend, beruhigend und schmerzlindernd;
  • vegetativ umstimmend;
  • entschlackend

Dr. Bernhard Aschner schreibt dazu:

„In eigenen Untersuchungen konnte ich feststellen, dass die für akute und manche chronische Entzündungen so charakteristische Erhöhung der Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit durch richtig induzierte Aderlässe ganz bedeutend, ja oft bis zur Norm herabgesetzt werden kann. …Im Zusammenhang damit kann man wohl auch annehmen, dass der Aderlass auf die gesamten Immunitätsvorgänge im Körper einen entscheidenden Einfluss nehmen kann. So viel auch im allgemeinen über die Bildung von Antikörpern und deren Abwehrvorrichtungen des Organismus untersucht und geschrieben worden ist, so ist die gewiss tief greifende Wirkung des Aderlasses auf diese so lebenswichtigen Prozesse in unserer Zeit kaum jemals ernstlich geprüft worden. Ein weites, dankbares Feld für Klinik und Laboratorium liegt hier zur Forschung offen.“2

Der Aderlass ist eine Behandlungsart, die sich über Jahrtausende bei vielen Völkern (Ägypter, Römer, Griechen, Inder etc.) bewährt hat.
Er gehörte damals und heute (in der Naturheilkunde) zu einem komplexen Therapiesystem und sollte von diesem nicht losgelöst angewendet werden. Das heißt je nach Krankheitsart müssen u. a. diätische Vorschriften eingehalten werden. Außerdem empfiehlt sich die Einnahme von darmreinigenden, entzündungswidrigen, auflösenden oder schweißerzeugenden Mitteln.

In der Hand eines in diesen Dingen erfahrenen Therapeuten ist der Aderlass eine sichere, wirksame und zugleich risikoarme Behandlungsform. Das gilt sowohl für die genannten Krankheitsbilder, als auch für die im Einzelfall benötigten Wirkungsweisen.

2008


Literatur:
Aschner, B.: Lehrbuch der Konstitutionstherapie, Hippokrates Verlag, Stuttgart 1953
Hufeland, C-W.: Enchiridion Medicum, Jonas Verlagsbuchhandlung, Berlin 1842


  1. Aschner, B.: Lehrbuch der Konstitutionstherapie, Hippokrates Verlag, Stuttgart 1953, S.313

  2. Aschner, B.: Lehrbuch der Konstitutionstherapie, Hippokrates Verlag, Stuttgart 1953, S.335

André ZweinigHeilpraktiker