Kubebenpfeffer (Piper cubeba)

Autor/en: 
Dipl.-Ing. Anke HerrmannHeilpraktikerin

Die Kubeben sind die Früchte eines bis zu 6 Meter hohen, mehrjährigen Kletterstrauches, welcher im malayischen Archipel beheimatet ist. Anbauländer sind heute Indonesien, hier besonders Java und Sumatra, Indien, Sri Lanka und einige Länder Ostafrikas. Auf Java wachsen die Pflanzen von Meereshöhe an bis auf 780 m über dem Meeresspiegel. Ursprünglich wurde der Kubebenpfeffer wild gesammelt. Deshalb wird er manchmal als Urwaldpfeffer bezeichnet. Heute werden die Kubebensträucher in den tropischen Gebieten häufig neben Kaffeepflanzen kultiviert.

Die große Reise

„Auch eine Reise über tausend Meilen beginnt mit einem Schritt.“
Siddharta Gautama

Im März des Jahres 1505 ist der Augsburger Konrad Peutzinger stolz und nervös zugleich. Sein Schwager Jakob Welser, er und Mitglieder der Familie Paumgartner hatten die „Raphael“ ausgerüstet und finanziert. Diese stach nun als Mitglied einer Flotte von 20 Schiffen von Lissabon aus in See mit Kurs auf Ostindien. Hatte sich die Familie Welser schon Mitte des 15. Jahrhunderts einen Namen im Pfeffer- und Safranhandel zwischen Venedig und Köln gemacht und tonnenweise die Gewürze zum Rhein geschafft, so begann jetzt das Wagnis des Ostindienhandels.

In den letzten Jahren hatten sich die Ereignisse überstürzt! 1492 segelte Admiral Christoph Kolumbus mit seinen drei Schiffen, unterstützt vom spanischen Königspaar, auf der Suche nach den Gewürzinseln nach Westen. Er fand auf seinem vermeintlichen „Hinterindien“ zwar keinen Pfeffer, aber dafür Piment und Chili. Daraufhin beauftragte der portugiesische König 1498 den Seefahrer Vasco da Gama, den Seeweg von Lissabon, an der afrikanischen Küste vorbei, um das Kap der Guten Hoffnung herum bis nach Indien zu suchen. Auf seiner zweiten Reise 1502 bis 1503 sicherte da Gama das Handelsmonopol der portugiesischen Krone in Indien. Nun schlossen sich reiche deutsche, holländische und portugiesische Kaufmannsfamilien zusammen, um die erste große Ostindienfahrt zu wagen. Knapp ein Jahr dauerte die Fahrt hin. Und mit etwas Heimatstolz verkündet Konrad Peutzinger: „Und uns Augspirgern ains groß lob ist, als für die ersten Teutschen, die India suchen.“1 Im November 1506 kehrte die Flotte glücklich und einschließlich der Augsburger „Raphael“ sowie der Nürnberger „Hieronymus“ mit 15 600 Zentnern Ladung, vorrangig Pfeffer, von dem Handelsabenteuer zurück! Allein die beteiligten Nürnberger Kaufleute erhielten einen Reingewinn von 250%. Schwarzer Pfeffer, Kubebenpfeffer, die ingwerartige Galgantwurzel, Gewürznelken – diese Gewürze waren bisher in Deutschland bekannt und beliebt, aber aufgrund des langen Handelsweges sehr, sehr teuer.2 Bis dahin legten die Gewürze einen Weg von rund 5000 km zurück. Von Java oder den Molukken ging es per Schiff nach China, weiter über Turkestan, Turkmenistan, Teheran bis zum Hafen im heutigen Antalya an der Mittelmeerküste in der Türkei. Oder der Seeweg verlief von den indonesischen Inseln über Ceylon nach Alexandria in Ägypten. Die Venezianer kauften dort ihre Waren und brachten sie in den Norden. Venedig wurde durch den Gewürz-, Seiden- und Ölhandel zu einer reichen und bedeutsamen Stadt. Zwei Gewürzstraßen entwickelten sich nördlich der Alpen: Von Venedig über den Brenner nach Innsbruck führte die eine weiter nach Basel und über den Rhein zur Nordsee und England. Die östliche verlief von Innsbruck aus über Augsburg, Nürnberg, Leipzig nach Lübeck zur Ostsee.3

„Mein Blick schweift über Meer, Vulkane und Dünen, und es ist, als könnte ich weit zurücksehen in eine längst vergangene Zeit, als dhaus, die Segelschiffe der Antike, mit kostbaren Waren … ankerten und Flöße aus aufgeblasenen Tierhäuten mit Weihrauch beladen anlandeten. … Lärm herrscht auch im Lager der Beduinen, die hier tagelang auf die Ankunft der Schiffe gewartet haben, jetzt die Waren in Ballen verschnüren und auf Kamele verladen. Sie transportieren die Schätze Asiens in die westliche Welt: Seide aus China, Perlen und Musselin aus Ceylon, Diamanten, Lapislazuli und Indigo und vor allem Pfeffer und Zimt aus Indien. Von der Ostküste Afrikas kommen Gold und Myrrhe, Elfenbein und Straußenfedern. … Allmählich kommt Ordnung in das Durcheinander, das Geschrei verebbt, der Trubel löst sich auf, und eine Karawane nach der anderen zieht davon über Gebirgspässe und Hochsteppen, durch Wadis und Wüsten, bis sie ihre Märkte am Mittelmeer erreichen. Auf diesem Strom unzähliger dahinstapfender Füße von Menschen und Tieren erreichen die Schätze von fernen Ländern ihre Käufer.“4

Die Vorstellungen der Augsburger oder Nürnberger Kaufleute von den sagenhaften Pfefferwäldern auf Java, der märchenhaften Inselvielfalt der Phillippinen oder den schönsten Rubinen von Ceylon gehen noch auf antike Quellen von Aristoteles und Plinius oder auf mittelalterliche Reiseberichte von Marco Polo oder Jean de Manderville zurück. Jetzt werden neue Welten entdeckt!

Nürnberger Kaufleute finanzierten weitere „Pfefferschiffe“, die Indien oder Ostindien anliefen, um Gewürze aufzunehmen. Mehrere Schiffe wurden gekapert oder kenterten. Ein verlorenes Schiff bedeutete meist den finanziellen Ruin des Großkaufmanns. Der Seeweg nach Indien bekam einen gefährlichen Ruf, so dass sich manche Seeleute vertraglich zusichern ließen, nicht nach Indien zu fahren!

1602 schlossen sich mehrere holländische Handelsgesellschaften zur „Vereenigden Oost-indischen Compagnie“ (VOC) zusammen. Die Niederländer hatten den blutigen Gewürzkrieg mit Portugal für sich entschieden und herrschten auf dem indonesischen Archipel, bis im 19. Jahrhundert die Briten Java einnahmen.2 5

Wo der Pfeffer wächst …
… die Inseln hinter dem Wind
… ein Garten Eden der exotischen Pflanzen und Tiere
… eine Ansammlung von Farben, Düften und Licht
… der Traum vom Gold durch Gewürze
… ein Ort europäischer Sehnsucht!

Die eigentliche Heimat des Pfeffers ist Kerala, ein im äußersten Südwesten des indischen Subkontinents gelegener tropischer Bundesstaat. Pfeffer und Kardamom sind König und Königin der Gewürze, wird in Indien gesagt. Dabei gibt es Hunderte von Pfefferarten! In Deutschland bekannte Pfefferarten sind der schwarze und weiße Pfeffer (Piper nigrum), der lange Pfeffer (Piper longum), Kubebenpfeffer (Piper cubeba) oder der Rauschpfeffer (Piper methysticum). Chili, auch Cayenne-Pfeffer (Capsicum anuum) genannt, ist eigentlich ein Nachtschattengewächs und kein Pfeffer. Genau wie der Nelken-Pfeffer, auch als Piment (Pimenta dioica) bekannt, der zu den Myrtengewächsen zählt. Trotzdem sind geschmackliche Ähnlichkeiten vorhanden.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der erste Pfeffer, der nach Europa kam, der lange Pfeffer war. Möglich, dass Soldaten von Alexander dem Großen den langen Pfeffer als ersten von Persien nach Südeuropa brachten. Über die Alpen gelangten die Pfeffersorten wie so viele Gewürze und Gemüse mit den Römern. Im alten Rom stand der Pfeffer in hohem Ansehen. Der schwarze Pfeffer verdrängte später den langen Pfeffer, da ersterer auf dem langen Transport widerstandsfähiger war. Wegen des Preises wurden in Rom die kostbaren Pfefferkörner teilweise einzeln verkauft. Die Pfeffersorten hielten Einzug in die Küchen der Wohlhabenden und später der Klöster, wodurch eine gewisse Verbreitung gesichert war.

In der Küche hat sich der Pfeffer eine ähnliche Stellung wie das Salz erobert. Er ist inzwischen ein Grundgewürz. In der Beliebtheitsskala der Gewürze steht der Pfeffer sehr weit oben, denn er fördert die Verdauung, konserviert und war lange Jahrhunderte ein Statussymbol. Außerdem übertüncht er durch seine Schärfe den Geschmack von leicht verdorbenem Fleisch. In Zeiten ohne Kühlschrank und Tiefkühltruhe war das Würzen von leicht verderblichen Speisen lebensnotwendig.6 In Europa dienten die verschiedenen Pfefferarten den Mönchen in Klöstern, den Fürsten auf ihren Gütern und den Handwerkern in den Städten meist als scharfe Speisewürze und wurden nur von einzelnen Heilkundigen als Arznei eingesetzt.

Der Name Pfeffer leitet sich vom lateinischen Wort „Piper“ her, welches aus dem griechischen Wort „peperi“ entstand. Dieses wiederum entwickelte sich aus dem altindischen Wort für „Beere, Pfefferkorn“ = „pippali“.7 Der lange Pfeffer wird heute noch als „Pippali“ bezeichnet und ist inzwischen durch den steigenden Einfluss der indischen Heilkunst des Ayurveda ein Geheimtipp.

Übersetzt heißt „Ayurveda“ die „Wissenschaft vom reinen Leben“ und geht auf die Zeit der vedischen Kulturepoche zurück, als Seher und Weise die Welt intuitiv erfassten und erklärten. Seit diesen Zeiten wird in Indien der lange Pfeffer – der Pippali – bei Asthma, Rheumatismus und Hautleiden verordnet.8 Er enthält mehr Piperin als der schwarze Pfeffer und ist damit schärfer, aber auch aromatischer. Gemischt mit schwarzem Pfeffer und Ingwer ergibt sich die in Indien und China beliebte Heilpflanzenmischung „Tri-Katu“, die dreifache Schärfe. Diese Mischung unterstützt die Verdauung und stärkt die Lebenskraft. Bei Erkältungen oder zur Anregung des Stoffwechsels findet sie ihre Anwendung. Obwohl diese Mischung eine süßliche Tendenz aufweist, wird sie für mitteleuropäische Gaumen eher als zu scharf empfunden.8

Der schwarze Pfeffer ist gar nicht immer schwarz. Die Farbe der Körner hängt vom Reifegrad der Früchte des Pfefferstrauches ab.

Schwarz: Die noch unreifen Früchte werden geerntet, wenn sie sich von grün nach gelblich verfärben. Das Trocknen in der tropischen Sonne verschafft den Pfefferbeeren durch einen Fermentationsprozess die schwarz-braune Farbe und die runzlige Oberfläche.

Weiß: Hier erfolgt die Ernte in fast reifem Zustand. Nach einer Wässerung werden die Früchte „geschält“, d. h. das Fruchtfleisch wird entfernt und zurück bleibt der glatte, helle Kern. Dieser enthält etwas weniger ätherisches Öl als die schwarzen Körner, hat dafür mehr Schärfe.

Grün: Die unreifen Früchte werden nach der Ernte in Salz- oder Essiglake eingelegt oder gefriergetrocknet. Der Geschmack ist frisch mit milder Schärfe.

Rot: Die diesmal reifen Früchte werden ebenfalls in Salz- oder Essiglake eingelegt oder gleich getrocknet. Echter roter Pfeffer ist der edelste und teuerste Pfeffer, denn er ist auch der anfälligste. Sein Geschmack ist fruchtig – süß und in der Schärfe dem schwarzen Pfeffer vergleichbar.

Rosa: In bunten Pfeffermischungen findet sich meist rosa Pfeffer. Diese süßlich-fruchtigen Beeren sind aber keine echten Pfefferfrüchte, sondern als Schinus-Beeren (Schinus terebinthi-folius) den Sumach-Gewächsen zugeordnet.9

Peposo – Ein italienisches Pfefferfleisch

Ein wärmendes Schmorfleisch aus dem Florenz des 15. Jahrhunderts zeigt die Einfachheit, Schmackhaftigkeit und Bekömmlichkeit des Pfeffers. Es gibt nur 4 Zutaten: 600g Rindfleisch (aus Unterschenkel), 500 ml Rotwein, 1 EL gestoßener Pfeffer, Salz

Das in Stücke geschnittene Fleisch wird in einem Topf ohne Fett gebräunt und der im Mörser zerkleinerte Pfeffer mit dem Rotwein hinzugefügt. Alles 1½ Stunde zugedeckt schmoren. Anschließend 350 ml Wasser zufügen, salzen und eine weitere Stunde garen. Dazu reicht man getoastetes Weißbrot. Guten Appetit10

Während man in Europa Pfefferkörner mit Gold aufwog und sie vorrangig als Gewürz verwendete, hat die heilkundliche Anwendung der verschiedenen Pfeffersorten in Asien eine lange Tradition. Sowohl im Ayurveda Indiens als auch in der Pflanzenheilkunde der Traditionellen Chinesischen Medizin haben die scharfen Körner einen festen Platz. Nicht nur dass „Maricha“ die Sanskritbezeichnung für schwarzen Pfeffer ist, Maricha ist auch einer der 12 Namen für die Sonne. Dadurch wird auf die trockene und erhitzende Wirkung hingewiesen.6

Schärfe ist ja eigentlich kein Geschmack, denn es gibt keine Schärfeareale auf der Zunge wie für süß, salzig, sauer und bitter. Schärfe setzt sich aus den Empfindungen für Hitze und Schmerz zusammen. Diese Empfindungen werden über Nervenrezeptoren aufgenommen und über den Trigeminusnerv ans Gehirn weitergeleitet. Der Engländer nennt das Scharfe treffend „hot“.9 Der Körper reagiert auf die vermeintliche „Verbrennung“ mit Schweißbildung, um sich zu kühlen. Gleichzeitig werden im Gehirn Endorphine, also Glückshormone, ausgeschüttet, die die Schmerzempfindung lindern sollen. Zurück bleibt ein wohlig-zufriedenes Gefühl, das die Wissenschaft als „pepper-high-effect“ bezeichnet.9

Innerhalb der Familie der Pfeffergewächse werden 14 Gattungen unterschieden und die größte Gattung sind die Pfefferpflanzen. Diese umfasst ungefähr 1000 Arten, wobei die eine Hälfte in Hinterindien, Südostasien, Neuguinea und den polynesischen Inseln vorkommt, während die andere Hälfte im tropischen Amerika, von Mexiko und den Karibischen Inseln bis nach Nordargentinien, zu finden ist.11

Hier soll nun eine Tabelle verschiedene „Pfeffer“ auch hinsichtlich ihrer Wirkung und Anwendung vergleichen.9 12

Es ist erstaunlich, dass auf allen Erdteilen in den tropischen Klimazonen trotz der Hitze scharfe Gewürze – besonders Pfeffer- und Chiliarten – ein fester Bestandteil der landestypischen Gerichte sind. Dagegen wird in den gemäßigten Zonen milder gewürzt. Zwar wachsen auch hier scharfe Pflanzen wie z.B. Zwiebeln, Senf oder Meerrettich, doch ihr Einsatz erfolgt gezielter und sparsamer. Vielleicht ist die Schärfe auch zur Erhöhung der Haltbarkeit der Lebensmittel nötig, da sich aufgrund des feuchtwarmen Klimas Bakterien und andere Mikroorganismen stärker verbreiten. Die Heilkundigen Mitteleuropas warnen dagegen oft vor zuviel Schärfe, damit die Magenschleimhäute nicht angegriffen werden. Der Schweizer Naturarzt Alfred Vogel schreibt: „Scharfe Gewürze, wie Pfeffer und Muskatnuss, sind möglichst zu meiden.“13

Der große Arzt der beginnenden Neuzeit, Paracelsus, brachte dagegen den Scharfstoffen eine große Wertschätzung entgegen. Obwohl er beobachtet hatte, dass jedes Land seine Krankheit und prinzipiell auch seine eigene Arznei hervorbringt, war er der Verwendung exotischer Gewürze wie Pfeffer, Ingwer, Kubebe oder Kardamom sehr zugeneigt. Pfeffer setzte er wegen seiner brennenden Schärfe gegen Sodbrennen und zur Appetitanregung ein. Scharfe Gewürze führen dem erstarrten Menschen Lebenswärme und Verdauungskraft zu. Dies ist ein Grund dafür, dass Paracelsus besonders den Kubebenpfeffer als wichtigen Bestandteil seiner Lebenselixiere, den „Aqua vitae“, sah.14 Doch betrachtete Paracelsus eher die therapeutische als die geschmackliche Wirkung der Gewürze und sah sie immer im Zusammenhang von Person und Krankheit.

Kubebenpfeffer als Gewürz © Gabriele Hanke

Kubebenpfeffer als Gewürz © Gabriele Hanke

Stand für Paracelsus beim Pfeffer die Schärfe und das Brennen im Vordergrund, so legte er beim Kubebenpfeffer mehr Wert auf dessen wärmenden und mild-scharfen Charakter. Er nutzte die magenstärkenden Effekte der Kubebe und sagte ihr lebensverlängernde Eigenschaften nach.14 Schon Hildegard von Bingen kannte und nutzte die Kubebe. Sie erkannte ihre gedächtnisstärkenden und konzentrationsfördernden Eigenschaften. Die Priorin des Benediktinerklosters auf dem Rupertsberg über Bingen stellte bei Heilpflanzenkompositionen meist eine bestimmte Droge in den Vordergrund und erwähnte neben körperlichen Wirkungen auch seelische. So führt der Kubebenpfeffer zu einem fröhlichen Geist und klarem Verstand. Bei geistiger Ermüdung und Konzentrationsproblemen soll ein Körnchen in der Stunde gekaut werden. Auch bei Kopfschmerzen setzte sie die kleinen Körner ein.

Erstaunlicherweise wurden schon im tiefsten Mittelalter, um das Jahr 1000 herum, in Mitteleuropa Pflanzen vom anderen Ende der Welt verwendet. Die Araber brachten die exotischen Gewürze auf dem Landweg nach Italien und die venedischen Kräutergänger trugen sie über die Alpen. Jede gut sortierte Kloster- oder Ratsapotheke hatte diese Gewürze im Sortiment, denn der Kubebenpfeffer war trotz seines hohen Preises recht beliebt. Nürnberg entwickelte sich neben Augsburg zum Zentrum des Gewürzhandels in den deutschen Landen, wodurch sich die Kubeben als Lebkuchengewürz bis heute etablierten.15 Wie in verschiedenen mittelalterlichen Pflanzenbüchern zu lesen, schrieb auch Leonhard Fuchs in seinem Kräuterbuch von 1543 über die kleinen Kubebenkörner. Er rühmte die erwärmende und verdauungsfördernde, sowie harntreibende und schmerzlindernde Wirkung bei Blasenentzündung und Nierensteinen. Dabei bezog sich Fuchs auf die Schriften von Galen und Plinius.16 Daraus ist ersichtlich, wie stark die antiken Quellen das abendländische Wissen prägten.

„Blaue Lagunen mit weißen Palmenstränden, dahinter das dunkle Dschungelherz der Insel, geheimnisvoll verschleiert in dichtem Wolkennebel.“17

Die Kubeben sind die Früchte eines bis zu 6 Meter hohen, mehrjährigen Kletterstrauches, welcher im malayischen Archipel beheimatet ist. Anbauländer sind heute Indonesien, hier besonders Java und Sumatra, Indien, Sri Lanka und einige Länder Ostafrikas. Auf Java wachsen die Pflanzen von Meereshöhe an bis auf 780 m über dem Meeresspiegel. Ursprünglich wurde der Kubebenpfeffer wild gesammelt. Deshalb wird er manchmal als Urwaldpfeffer bezeichnet. Heute werden die Kubebensträucher in den tropischen Gebieten häufig neben Kaffeepflanzen kultiviert. Die Kaffeepflanzen bieten den wachsenden Kubebentrieben Schatten, dann wachsen sie weiter an Kletterhilfen der Sonne entgegen, um Blüten zu treiben. Zwischen den ca. 15 cm großen, ledrigen, etwa eiförmigen Blättern bilden sich kleine Blütenähren, woraus sich die traubenartigen Fruchtstände entwickeln. Die anfangs ungestielten Früchte wachsen vor der Reife an ihrer Basis einen Stielfortsatz aus, der also ungegliedert mit dem kugeligen Früchtchen verbunden ist. Wegen dieses Stielfortsatzes wird der Kubebenpfeffer auch Stiel- oder Schwanzpfeffer, oder nach seiner Herkunft Javapfeffer genannt. In der Regel werden die sich gelblich färbenden, noch unreifen Fruchtstände geerntet und in der tropischen Sonne getrocknet. Während der Trocknung färben sich die 4 – 6 mm großen Früchtchen schwarzbraun, werden runzelig und sehr hart. Reife Kubeben sind größer und weniger runzlig als die allgemein angebotenen, aber der Geruch ist schwächer.12 18 19

Kaut man ein rohes Kubebenkörnchen, so schmeckt es anfangs mild nach Pfeffer, dann folgt eine leichte Bitterkeit, die gleich in eine frische Schärfe übergeht. Nach dem Kauen bleibt noch lange eine gewisse Frische im Mund. Gekocht ist der Geschmack milder und erinnert leicht an Piment. Kubeben sind deutlich weniger scharf als schwarzer Pfeffer. Es hebt sich der herbe, aromatisch-würzige Geschmack von den anderen Pfeffersorten ab. Kubeben enthalten 10-20 % ätherisches Öl mit Mono- und Sesquiterpenen wie Cubeben, Cubebol und Cineol (als Aromastoffe für den scharf-frischen Geschmack), ca. 2,5 % Lignane, z.B. der Bitterstoff Cubebin (auch zuständig für die Rotfärbung der Früchte), 1 % Cubebensäure, Alkaloide wie der Scharfstoff Piperin (0,4%) sowie fettes Öl, Harze und Minerale.20 In der Küche kann die experimentierfreudige Hausfrau oder auch Hausmann die gemahlenen Kubeben genauso wie schwarzen Pfeffer verwenden.

Pfeffertrunk „Schnupfenkiller“
nach einem Rezept von Markusine Guthjahr

Zutaten:

  • 1½ TL Pfefferkörner
  • 1 TL Kubeben
  • 2 TL Koriander
  • ½ TL Kreuzkümmel
  • 2 Zwiebeln
  • 4 Knoblauchzehen
  • 1 Prise Salz und 4 Tassen Wasser

Die Gewürze werden frisch im Mörser zerkleinert, Zwiebeln und Knoblauch gehackt, mit Wasser und Salz 10 Minuten kochen lassen und abseihen. Davon täglich mehrmals ein Likörglas voll trinken. Den Pfeffertrunk am besten im Kühlschrank aufbewahren.3

Außer als Lebkuchenzutat verlor der Kubebenpfeffer im europäischen Raum als Gewürz seine Bedeutung. Im Dreißigjährigen Krieg wurden die Fernhandelsstraßen sehr unsicher und manche Pflanzendroge konnte nicht mehr beschafft werden. Langsam verloren die Kubeben ihre Beliebtheit und nur der schwarze Pfeffer blieb.

In Indonesien, China, Indien sind die kleinen gestielten Früchte heute noch sowohl als alltägliches Gewürz sowie als Heilmittel sehr präsent. Praktisch alle traditionellen balinesischen Gerichte werden mit Kubeben gewürzt. In China entsteht gerade ein neuer Trend, mit Kubeben das Bier zu brauen, um den teureren Hopfen zu sparen. Im marokkanischen „Ras el Hanout“, einer sehr beliebten Gewürzmischung, sind gemahlene Kubeben eine der 25 Zutaten. Medizinisch findet der Stielpfeffer in Asien bei entzündlichen und bakteriellen Erkrankungen der Atem- und Harnwege, sowie bei chronischer Bronchitis Verwendung. Weiterhin werden die kleinen Früchte als Appetitanreger und Magenmittel genutzt. Sie können Bauchschmerzen lindern. Die Schleimhäute sowohl der Atemwege als auch des Magens werden gereinigt.

Heute beschäftigen sich in Südostasien, vor allem an indonesischen Universitäten, viele Studien mit der Wirkung verschiedener Kubeben-Extrakte bzw. einzelner Inhaltsstoffe. Antientzündliche, antiallergische und immunmodulierende Eigenschaften stehen dabei im Zentrum des Interesses. Die Stoffgruppe der Lignane, von denen 13 verschiedene unter den Inhaltsstoffen der Kubeben sind, wird z.Z. auf eine Anti-Tumorwirkung untersucht. So konnten thailändische Forscher in vitro nachweisen, dass ein methanolischer Auszug aus Kubebenfrüchten zelltoxisch auf Brusttumorzellen wirkt. Aufgrund der Vielzahl der laufenden Untersuchungen ist in den nächsten Jahren mit interessanten Erkenntnissen zu rechnen.21

Nachdem die Briten im 19. Jahrhundert Java besetzten und sich mit den einheimischen Pflanzen beschäftigten, gelangte auch der Kubebenpfeffer wieder nach Europa. Nun stehen die verdauungsfördernden Eigenschaften im Mittelpunkt des Heilinteresses. Einige Firmen nutzen Kubeben als Bestandteil des sehr beliebten Melissengeistes (z.B. „Aquavit“ der Firma Soluna aus Donauwörth) oder in Präparaten zur langfristigen Anregung bei Verdauungsschwäche, Blähungsneigung und Altersmagen (z.B. „Infi-Cardamomum“-Tropfen von Infirmarius-Rovit).

Gemäß der ayurvedischen Tradition eignet sich alkoholischer Kubeben-Extrakt zur Inhalation oder Sprühen bei Asthma oder Chronisch-obstruktiver Bronchitis (COPD). Bei Husten nehmen einige Tropfen – auf Zucker und dies als „scharfes Hustenbonbon“ gelutscht – den Reiz und kühlen den Rachen angenehm. Fein gemahlener Kubebenpfeffer geschnupft, also als Niespulver genutzt, ist eine Wohltat zur Befreiung der Nase nicht nur bei allergischem Schnupfen und löst den verstopften Schleim. Auch wenn diese Anwendungsart heute unbeliebt geworden ist, lohnt sich ein Versuch! Eine regelmäßige Einnahme von Kubebenpfeffer bei Allergien, ob nun als tägliches Gewürz, das Kauen der Körnchen oder als Extrakt gesprüht, ist zur Stärkung des Immunsystems sehr zu empfehlen.22

In der Homöopathie erleben alle Pfeffersorten z.Z. eine Renaissance. Ist doch eine Hauptindikation aller Pfefferpflanzen die Suche nach Reizen, Abwechslung und Vergnügen, um der Langeweile zu entkommen. Damit treffen die homöopathisch aufbereiteten Pfefferpflanzen eine heutige, weit verbreitete Geisteshaltung und werden dadurch zur therapeutischen Notwendigkeit.

Bei folgenden körperlichen Symptomen lohnt sich ein Einsatz von Cubeba D6:

  • Blasenentzündung, Brennen in der Harnröhre (besonders wenn Cantharis nicht hilft)
  • Nasen- und Rachenkatarrh mit rohem Gefühl im Hals, Brennen und Eiter
  • Kopfschmerzen mit dem Gefühl wie eingetrocknet, verstopft

Dies gilt umso mehr, wenn diese Symptome mit folgenden Merkmalen gekoppelt sind:

  • Verlangen nach Süßem und Scharfem, nach Abwechslung in der Nahrung
  • Gereiztheit, Nervosität, Ärger wechselt mit Fröhlichkeit oder Freude an kleinen Dingen
  • Bedürfnis nach häufiger Abwechslung, um die Monotonie des Alltages zu unterbrechen6 12

Wir sind bei unserer Reise in die Vergangenheit und ans andere Ende der Welt nun in der Gegenwart angekommen. Doch unsere Lebensreise geht weiter in die Zukunft. Dabei helfen uns die Pfefferpflanzen doch, die Eindrücke dieser nervenaufreibenden Zeit auf verschiedenen Ebenen zu verdauen. Machen wir uns die kleinen schönen Augenblicke unserer Lebensreise bewusst, denn dadurch gewinnt unser Leben an Würze. Nutzen wir die gespeicherte Sonnenkraft der kleinen gestielten Körner vom anderen Ende der Welt, um unser Immunsystem zu stärken und die körpereigene Abwehr auszugleichen. So können allergische Reaktionen verringert werden. Unser Denken und Empfinden wird geschützt vor Reizüberflutung, die Lungen vor Luftverschmutzung und das Verdauungssystem vor Umweltgiften.

„Die Welt ist meine See, der Schiffmann Gottes Geist,
Das Schiff mein Leib, die Seel ist`s, die nach Hause reist.“23

K … Konzentration, Kopf, Körner, Karawanen

U … Umweltverschmutzung

B … Bronchitis, Blasenentzündung

E … Erkältung, Erweiterung der Bronchien

B … Bauchschmerzen, Blähungen

E … England

N … Nierenschmerzen, Niespulver, Nerven

P … Prostatitis, Piperin, Pfefferkuchengewürz, Portugal

F … Fehlbesiedlung des Darmes

E … Epilepsie

F … Fröhlichkeit, Früchte

F … Förderung der Verdauung

E … Entzündungen

R … Radikalfänger, Reizbarkeit, Römer, Reise

A … Atemwege, Asthma

H … Husten

A … Allergien

!

2015


  1. Eser, Thomas: Gewürze auf dem Behaim-Globus, aus Frank Holl (Hrsg.): Gewürze – sinnlicher Genuss, lebendige Geschichte, Begleitbuch zur Sonderausstellung, Rosenheim, 2010, S. 145

  2. Eser, Thomas: Gewürze auf dem Behaim-Globus, aus Frank Holl (Hrsg.): Gewürze – sinnlicher Genuss, lebendige Geschichte, Begleitbuch zur Sonderausstellung, Rosenheim, 2010, S. 135-145

  3. Kerckhoff, A.; Schimpf, D.: Die Heilkraft der Gewürze, KVC-Verlag Natur und Medizin e.V., Essen, 2014

  4. Rohrbach, Carmen: Im Reich der Königin von Saba, Frederking & Thaler Verlag, München, 1999, S. 141 f.

  5. Der Brockhaus: Geschichte, F.A. Brockhaus GmbH, Leipzig – Mannheim, 2006

  6. Weidl, Christian: Pfeffer – Der König aller Gewürze, aus Spektrum der Homöopathie, Narayana-Verlag GmbH, Kandern, Heft 3/2015, S. 4-13

  7. Duden: Das Herkunftswörterbuch, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, Mannheim, 2007

  8. Schrott, Ernst, Dr.: Ayurveda für jeden Tag, Wilhelm Goldmann Verlag, München, 2002

  9. Matthaei, Bettina: Gewürze, Gräfe und Unzer Verlag GmbH, München, 2013

  10. Raether, Elisabeth: Italienisches Pfefferfleisch, ZEITmagazin, Wochenmarkt, Nr. 45/2015, Hamburg, 26.11.2015

  11. Lexikon der Biologie: Pfeffergewächse, www.spektrum.de/lexikon/biologie/pfeffergewaechse/50590. 2015

  12. Vonarburg, Bruno: Homöotanik Band 4, Karl F. Haug Verlag, Stuttgart, 2005

  13. Vogel, Alfred: Der kleine Doktor, Wilhelm Heyne Verlag, München, 1994, S. 141

  14. Rippe, O., Madejsky, M.: Die Kräuterkunde des Paracelsus, AT Verlag, Baden und München, 2006

  15. Schuhbeck, Alfons: Meine Küche der Gewürze, Verlag Zabert & Sandmann, München, 2009

  16. Fuchs, Leonhart: New Kreuterbuch, Nachdruck der Basler Ausgabe von 1543, VMA Verlag, 2002

  17. Hengge, Helga: Abenteuer Seven summits, Verlag Helga Hengge, München, 2015, S. 314

  18. Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, Springer Verlag, Berlin, Göttingen, Heidelberg, 1949

  19. Asmarayani, Rani: Persönliche Mitteilung, Doktorand der Universität Missouri/St.-Louis zum Thema: Malaysischer Pfeffer, 2015

  20. Hiller, K.; Metzig, M.F.: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen, 2.Band, Spektrum Akademischer Verlag, 2003

  21. Lück-Knobloch, Heike: Kubebenpfeffer, in Der Heilpraktiker 9/2015, S. 10 ff., Verlag Volksheilkunde, Bonn, 2015

  22. Dr. Kandler, M.; Herrmann, A.: Von Essenzen, Salben und Tinkturen, Monarda Publishing House, Halle, 2011

  23. Silesius, Angelus: Blüh auf gefrorner Christ, aus dem „Cherubinischen Wandersmann“, Deutsche Reihe Bd. 61, Eugen Diederichs Verlag, Jena, S. 51

Dipl.-Ing. Anke HerrmannHeilpraktikerin

In Freiberg und Erlangen widmete sich Frau Herrmann dem Studium der Werkstoffwissenschaften, in welchem sie auch ihr Diplom erwarb. Ihre Ausbildung zur Heilpraktikerin erfolgte in Dresden, Erlangen und Zürich. Seit 1996 ist sie in ihrer eigenen Praxis tätig. Zu ihren Therapieschwerpunkten gehören Manuelle Therapie (Ortho-Bionomie), Homöopathie, Spagyrik und Fußreflexzonentherapie. Sie ist Autorin verschiedener Fachbücher und der populärwissenschaftlichen Druckerzeugnisse über die Heilpflanze des Jahres. Ihre fundierten Kenntnisse gibt sie auch in Vorträgen an Fach- und Laienpublikum weiter.