Lindenblüten – natürliche Hilfe bei Erkältungssymptomen

Autor/en: 
Dipl.-Ing. Katja KunathHeilpraktikerin

Als natürliches Erkältungsmittel sind Lindenblüten noch gar nicht so lange bekannt, zuvor schätzte man sie wegen anderer Wirkungen. Der folgende Beitrag zeigt den naturheilkundlichen Werdegang der Linde ebenso auf, wie die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten bei Schnupfen, Husten und Unterkühlung.

Wie heißt es im Gedicht „Linde“ von Friedrich Hebbel? „Du süßer Baum, Dich grüßt wohl auch der Blinde, Der deinen Namen selbst im Traum Noch nie gehört, als Linde.“
Zwischen Mitte Juni und Mitte Juli verströmen Lindenbäume ihren lieblich-süßen Duft und laden damit zum Blüten-Sammeln ein. Eine Linde kann bis zu 60.000 Blüten pro Jahr ausbilden. Bei schwülem Wetter breitet sich um den Baum herum ein bis zu 30 m reichender „Duftkreis“ aus.

Kurzer heilkundlicher Rückblick

Heute sind Lindenblüten aus der natürlichen Behandlung von Erkältungen nicht mehr wegzudenken. Das war nicht immer so.
Ein Blick ins Europa des 17. Jh. offenbart folgendes Bild: „Der Schwindel/ Fraiß und Schlag/ durch Blumen wird vertriebe[n]/ Vors Haupt die Lindenblüth gar öfters wird verschrieben“ 1. Zusammen mit den Aufzeichnungen des englischen Arztes Nicholas Culpeper zeigen diese im Jahr 1663 von Johann Joachim Becher stammenden Zeilen den Beginn der heilkundlichen Verwendung von Lindenblüten und ihren damals guten Ruf als Hirn- und Nervenmittel an. Noch im 16. Jh. hatten Autoren wie Pietro Matthiolus, Leonhart Fuchs und Hieronymus Bock hauptsächlich andere Teile wie Blätter, Rinde, Saft und Holzkohle als Heilmittel erwähnt und standen damit in der Tradition griechischer und römischer Heilkundiger des 1. und 2. Jh. n. Chr.

Die Nutzung der Blüten als Arzneimittel bei Schwindel, Schlaganfall und Fallsucht währte jedoch nur kurz, denn gegen Ende des 18. Jh. verloren alle Teile der Linde vorübergehend ihre heilkundliche Bedeutung. Samuel Hahnemann schrieb 1799: „Der jezt einzig gebräuchliche Theil sind die ungemein duftenden Blüthen. […] Jezt dient es [ein mit Alkohol oder Wasser destilliertes „Lindenblütenwasser“] blos [noch] zum Wohlgeruch der Arzneien“ 2, also zum Aromatisieren anderer Heilmittel, nicht als Arzneimittel selbst.

Kneippstatue mit Wasserspielen in Bad Wörishofen © Pixabay/ Silviarita

Kneippstatue mit Wasserspielen in Bad Wörishofen © Pixabay/ Silviarita

Erst ab der 2. Hälfte des 19. Jh. erlangten Lindenblüten wieder ein Ansehen als natürliches Heilmittel. Nun tauchten sie in der uns heute bekannten Form als Arznei bei Erkältungen auf. Ein wichtiger Wegbereiter für die heutige Popularität der Blüten war Sebastian Kneipp, der sie bei Atemwegsproblemen, altem Husten sowie Verschleimung von Lunge, Luftröhre und Nieren verwendete 3. Sein auch heute noch gern bei fieberhaften Erkältungen angewendeter Schwitztee besteht aus Linden-, Holunder- und Königskerzenblüten zu gleichen Teilen 4.

Lindenblüten als Arznei heute

Arzneidroge (Tiliae flores) sind ganze, getrocknete Blütenstände mit pergamentartigem Tragblatt von Tilia cordata MILLER (Winterlinde), Tilia platyphyllos SCOP. (Sommerlinde), Tilia x vulgaris HEYNE (Holländische Linde) oder eine Mischung aus diesen 5. Nach der Ernte, die ein bis vier Tage nach dem Aufblühen erfolgt, sollten die Blüten im Schatten getrocknet, zerkleinert und luftdicht verschlossen aufbewahrt werden 6.

Seit den 1980-er Jahren sichteten Experten-Kommissionen vorhandene Kenntnisse rund um Lindenblüten. Sie fassten diese in Monografien zusammen und nannten folgende Indikationen:

  • Kommission E: Erkältungskrankheiten, trockener Reizhusten 7,
  • ESCOP: fieberhafte Erkältungen, Husten in Verbindung mit Erkältung sowie Katarrh der oberen Atemwege 7,
  • WHO: Erkältungen und traditionell z. B. bei Schlaflosigkeit, Ängsten und Migräne 8,
  • Committee on Herbal Medicinal Products: traditionell bei Erkältungssymptomen und milden Symptomen von mentalem Stress 9.

Eine Vielzahl von Forschungsarbeiten bestätigt diaphoretische (die Hautatmung anregende), immunmodulierende, beruhigende, angstlösende, fiebersenkende, antioxidative (zellschützende), antimikrobielle, antientzündliche, reizlindernde, befeuchtende und hustendämpfende Effekte von Lindenblüten.
Diese Wirkungen beruhen vor allem auf den darin enthaltenen 1 bis 2 % Flavonoiden (z. B. Rutin, Quercetin, Isoquercitrin, Hyperosid, Tilirosid), 10 % Schleimstoffen (Polysaccharide), die vor allem aus den Tragblättern stammen, 2 % Gerbstoffen (z. B. Catechine und Gallocatechine) und 0,01 bis 0,2 % ätherischem Öl, das aus mehr als 70 Komponenten besteht 10.

Heißer Lindenblütentee bei Erkältung

Die bekannteste Form der arzneilichen Anwendung von Lindenblüten ist der Aufguss. Für diesen werden 2 TL getrocknete Lindenblüten mit 250 ml kochendem Wasser übergossen. Dieses Wasser-Blüten-Gemisch lässt man 10 Minuten zugedeckt ziehen.
Ein heiß getrunkener Lindenblütentee kurbelt die Tätigkeit des Immunsystems bei Erkältungen an. Außerdem unterstützt er die Ausscheidung durch Schwitzen und hat einen leicht harntreibenden Effekt. Rudolph Fritz Weiß bemerkt zur Wirkung: „In klinischen Studien konnte […] nachgewiesen werden, dass bei fieberhaften Infekten Lindenblütentee zusammen mit Bettruhe eine raschere Heilung mit selteneren Rückfällen und Komplikationen bewirkt als Antibiotikagaben“ 11.

Bei festsitzendem Husten wirkt Lindenblütentee reizlindernd und schleimlösend. Zur Linderung empfiehlt sich daher eine Teemischung aus Lindenblüten und Huflattichblättern zu gleichen Teilen 6. Um die entzündeten Atemwege zu beruhigen, kann der Tee zusätzlich mit 1 TL Lindenblütenhonig gesüßt werden. Wie eine Forschungsarbeit aus dem Jahr 2022 bestätigt, wirkt Lindenblütenhonig auch gegen Influenza A-Viren 12.

alle Bestandteile des Huflattichs gemalt von Jacob Sturm in "Deutschlands Flora in Abbildungen" von 1796 © Wikipedia/ Johann G. Sturm

alle Bestandteile des Huflattichs gemalt von Jacob Sturm in "Deutschlands Flora in Abbildungen" von 1796 © Wikipedia/ Johann G. Sturm

Da das regelmäßige Trinken von Lindenblütentee die körpereigene Abwehr stärkt, wenden viele Menschen ihn auch prophylaktisch an. Ist man z. B. von einem Aufenthalt im Freien durchgefroren, kann ein drohender Infekt mit 2 Tassen Lindenblütentee noch abgewendet werden. Trinken Sie dazu die 2 Tassen Tee im Abstand von etwa 3 bis 4 Stunden 6.

Bei altersgemäß angepasster Dosierung unterstützt Lindenblütentee auch Kinder. Erfahrungsgemäß brüht man dafür 1 TL Blüten mit 150 ml kochendem Wasser auf. Täglich können Kinder davon zwischen 150 ml (Säuglinge) und 450 ml (ab 10. Lebensjahr) trinken 13.

Kaltansatz bei kratzendem Hals

Ein Aufguss ist nicht für alle Erkältungssymptome gleichermaßen gut geeignet. Bei Halsschmerzen, entzündetem Rachen und trockenem Husten sollten pro Tag besser 2 bis 3 Tassen eines Kaltansatzes getrunken werden 14. Dieser enthält besonders viele Schleimstoffe und wirkt daher reizlindernd und befeuchtend. Er wird aus 1 TL Lindenblüten, die in 250 ml kaltes Wasser gegeben werden, zubereitet. Die Wasser-Blüten-Mischung lässt man mindestens eine, besser mehrere Stunden ziehen und rührt sie zwischendurch immer wieder einmal um. Abschließend wird der Kaltansatz kurz bis zum Sieden erhitzt, abgeseiht und schluckweise getrunken.

Hinweis:
Die Behandlung einer akuten Erkrankung sollte nach einer Woche abgeschlossen sein. Wenn innerhalb dieser Zeit keine Besserung eintritt, empfiehlt es sich, eine heilkundige Person zu Rate zu ziehen. In seltenen Fällen können bei der Anwendung von Lindenblüten Kontaktdermatitis sowie Entzündungen von Nasenschleimhaut und Bindehäuten auftreten.

Wie Sie Lindenblüten-Tropfen selbst herstellen

Erkältungssymptome können traditionell auch mit einem alkoholischen Auszug aus Lindenblüten behandelt werden. Der Auszug, auch Tinktur oder „Tropfen“ genannt, kann in Apotheken erworben oder selbst hergestellt werden:

in der alten Hausapotheke im Bamberger Häckermuseum hat auch die Lindenblüte ihren festen Platz © NHV

in der alten Hausapotheke im Bamberger Häckermuseum hat auch die Lindenblüte ihren festen Platz © NHV

Ein Schraubglas wird zu zwei Dritteln mit frischen, klein geschnittenen Lindenblüten (inklusive Tragblatt) befüllt und anschließend mit 30- bis 40-prozentigem Alkohol (z. B. Kornbrand oder Wodka) aufgefüllt. Schließen Sie das Schraubglas und stellen Sie die Mischung für etwa 6 Wochen kühl und dunkel. Nach dem Abfiltrieren ist die Tinktur einsatzbereit. Erfahrungsgemäß werden zwischen 1 und 10 ml der Tinktur in einem Glas Wasser verdünnt und über den Tag verteilt getrunken 15.

Eine Lindenblüten-Tinktur eignet sich auch für die begleitende Behandlung von körperlichen und psychischen Symptomen von mentalem Stress.

Andere Darreichungsformen bei Erkältung

Denken Sie beispielsweise an ein 10-minütiges Lindenblüten-Fußbad, wenn Sie einem entstehenden Infekt entgegenwirken oder eine unterschwellig vorhandene Infektion ausschwitzen wollen. Bereiten Sie dafür einen Aufguss aus 7 EL Lindenblüten und 5 l Wasser und lassen ihn 15 min zugedeckt ziehen. Geben Sie diesen dann dem Fußbadewasser zu. Das Ausschwitzen wird optimal unterstützt, wenn Sie nach dem Baden mit Wollsocken ins Bett gehen 14.

Auch ein Lindenblüten-Dampfbad ist bei Erkältungen von Nutzen. Nehmen Sie dazu 4 TL Lindenblüten auf 500 ml kochendes Wasser und inhalieren den Dampf für etwa 10 bis 15 Minuten. So können Sie zum Beispiel einem festsitzenden Schnupfen gut beikommen.

Fazit

Als sanftes und zugleich wirksames Arzneimittel bei Erkältungen wächst die Linde direkt vor unserer Haustür. Mit ihren süßlich-aromatisch duftenden Blüten ist sie ein wertvoller Teil der Pflanzenheilkunde. Ob in Form eines reizlindernden oder schleimlösenden Tees aus der Tasse oder als wohltuendes Fußbad im Wännchen – die Linde sorgt für „Linde“-rung verschiedenartiger Erkältungssymptome. Daher sollte sie Eingang in jede pflanzliche Hausapotheke finden.

Juni 2025

Literatur:

  1. Becher JJ. Parnassus Medicinalis illustratus. Oder: Ein neues / und dergestalt / vormahln noch nie gesehenes Thier-Kräuter- und Berg-Buch Sampt der Salernischen Schul. Ulm 1663

  2. Hahnemann S. Apothekerlexikon. 2. Teil, Leipzig 1799

  3. Madaus G. Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Thieme Verlag Leipzig 1938

  4. Kneipp S. Mein Testament für Gesunde und Kranke. Verlag der Rösel’schen Buchhandlung. Kempten 1898

  5. Wichtl M. Teedrogen und Phytopharmaka. 5. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2009

  6. Pahlow M. Das große Buch der Heilpflanzen. 2. Auflage, Nikol Verlag Hamburg 2014

  7. Schilcher H. Leitfaden Phytotherapie. 4. Auflage, Urban und Fischer Verlag 2010

  8. WHO. WHO monographs on medicinal plants commonly used in the Newly Independent States (NIS). Genf 2010

  9. Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC). Assessment report on Tilia cordata Miller, Tilia platyphyllos Scop., Tilia vulgaris Heyne or their mixtures, flos. EMA/HMPC/337067/2011 vom 22.05.2012

  10. Hänsel R & Sticher O. Pharmakognosie – Phytopharmazie. 9. Auflage. Springer Verlag, Berlin 2010

  11. Rippe O et al. Die Kräuterkunde des Paracelsus. AT Verlag Baden und München 2006

  12. Zhou Ya-Jing et al. Comprehensive review of Tilia L.: phytochemical profiles, edible value, therapeutic potentials, and ecological significance. In Food and Medicine Homology 2025, 2, 9420035

  13. Bühring U. Heilpflanzen für Kinder. Gesundheit aus der Natur. Ulmer Verlag Stuttgart 2015

  14. Ritter C. Immunsystem stärken mit Heilpflanzen aus Natur und Garten. Ulmer Verlag Stuttgart 2022

  15. Burckardt C. Alles aus Wildpflanzen. 2. erweiterte Auflage, Ulmer Verlag Stuttgart 2015

Dipl.-Ing. Katja KunathHeilpraktikerin

Frau Kunath studierte Geotechnik und Bergbau an der TU Bergakademie Freiberg und war anschließend viele Jahre im Bergbau tätig. Der Natur verbunden absolvierte sie in Dresden eine Heilpraktiker-Ausbildung und ist seit 2016 in ihrer eigenen Praxis in Göda tätig. Die Pflanzenheilkunde, Homöopathie und Craniosacrale Therapie sowie Methoden der Traditionell Europäischen Naturheilkunde wie Schröpfen, Spagyrik und Aderlass zählen zu ihren Praxisschwerpunkten. Als Fachautorin widmet sie sich traditionellen und modernen Heilpflanzen.