Veilchen (Viola odorata)

Das Veilchen gehört zu den in Dichtung und Liedern viel gepriesenen Blumen und wird in der Gunst der Menschen nur noch von der Rose übertroffen. Schon im Altertum schätzte man die zierliche Pflanze wegen ihres angenehmen Duftes. Die Bilder der Hausgötter wurden mit Veilchen geschmückt und Veilchenkränze geflochten, die man bei Festlichkeiten auf dem Kopf trug.

Das Veilchen (botanischer Name Viola odorata L.), das zur Familie der Violaceae (Veilchengewächse) gehört, hat mehrere Synonyme bzw. Volksnamen wie Duftveilchen, wohlriechendes Veilchen, Heckenveilchen, Märzveilchen, Marienstängel, Osterveigl und Blauröschen.

Botanische Merkmale

Viola odorata L. trat ursprünglich im Mittelmeergebiet sowie in den atlantischen Randgebieten Europas auf, verbreitete sich aber über ganz Europa und wurde auch als Gartenpflanze in die übrigen Erdteile eingeführt. Die Pflanze hat einen kurzen, dicken, weichen Erdstamm und treibt Ausläufer. Die Blätter besitzen 1 bis 6 cm lange Stiele, sind herzförmig und von hell- bis tiefgrüner Färbung. Die Blüten werden bis zu 2 cm lang und sitzen einzeln auf dünnen Stielen. Die Blütenfarbe ist im Allgemeinen tiefblau, in einigen Fällen auch rötlich. Die Bütezeit erstreckt sich von März bis Mai. In der Natur stehen die Veilchen am Fuß von Hecken, an Wald- und Bachrändern und treten meist gesellig auf.

Veilchenblätter © NHV Theophrastus

Veilchenblätter © NHV Theophrastus

Historische heilkundliche Anwendung

Der griechische Arzt und „Vater der Heilkunde“ Hippokrates (um 400 v. Chr.) benutzte Veilchen zur Behandlung von Kopfschmerzen und Sehstörungen. Hildegard von Bingen (1098–1179) weist in ihren Schriften auf die gute Wirkung von Veilchenzubereitungen hin. Sie empfiehlt diese bei „Feurigen Augen“, „Dreitägigem Fieber“, Sehstörungen und Augentrübungen. Der Botaniker, Arzt und Theologe H. Bock (1498–1554) gibt an, dass Veilchenkraut und -blüten den „Bauch offenhalte und das Herz kräftige“. Noch um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde die Veilchenpflanze auf mehrfache Weise therapeutisch genutzt. In dem 1903 erschienenen Kräuterbuch von F. R. Losch wird auf die „herzstärkende Wirkung“ von Veilchenblüten hingewiesen.

Inhaltsstoffe

Nachstehend eine Übersicht der Inhaltsstoffe der verschiedenen Pflanzenteile bzw. Bestandteile des Veilchens:

Veilchenblüten

getrocknet (Violae odoratae flos, Flores Violarum)
  • Veilchenblütenöl (s. u.)
  • Flavonoide (u. a. Rutosid)
  • Anthocyane (Violanin, Gauin)
  • Schleimstoffe
  • Salicylsäuremethylester (in Glykosid-Bindung)
  • Violin (Alkaloid)
  • Saponine

Veilchenblätter

zur Blütezeit gesammelt und getrocknet (Violae odoratae folium)
  • etherisches Veilchenblätteröl, 0,002 %
    (mit der Hauptkomponente 2,6-Nonadien-1-al)
  • Triterpene
  • Schleimstoffe
  • ß-Sitosterol
  • Salicylsäuremethylester
  • Phenolcarbonsäuren (u. a. Ferula- und Sinapinsäure)
  • Violin (Alkaloid)

Veilchenkraut

zur Zeit der Blüte geerntet (Violae odoratae herba)

s. Veilchenblätter

Echte Veilchenwurzel

getrockneter Wurzelstock (Violae odoratae rhizoma, Radix Violae)
  • etherisches Veilchenwurzelöl, 0,0038 %
  • Gaultherin (Salicylsäure-Glykosid)
  • Violin (Alkaloid)

Veilchenblütenöl

Synonym: Veilchenöl (Oleum Violae, Oleum Violae aethereum)
  • α-Jonon (mit 22 % Hauptbestandteil)
  • Undecanon-22,6-Nonadien-1-al (Veilchenblätteraldehyd)
  • (-)-Zingiberen
  • (+)-α-Cucurmenß-Jonon

Das in den Veilchenblättern enthaltene etherische Öl (Veilchenblätteröl) lässt sich unter Verwendung von organischen flüchtigen Lösungsmitteln stufenweise isolieren. Im ersten Verfahrensschritt erhält man das sogenannte konkrete Veilchenblätter-Resinoid, das noch erhebliche Mengen an nicht öligen Bestandteilen aufweist. Deren Entfernung erfolgt in der zweiten Stufe, wodurch man das absolute Veilchenblätter-Resinoid gewinnt. Aus 1 Tonne Blätter werden ca. 1 kg konkretes Resinoid und daraus etwa 30 % absolutes Resinoid erhalten. Hauptproduktionsgebiete sind Südfrankreich und Italien (Parma). Der Preis des absoluten Veilchenblätter-Resinoids betrug Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts 8.500 DM pro kg.

Veilchenblüte © NHV Theophrastus

Veilchenblüte © NHV Theophrastus

In entsprechender Weise wie das Veilchenblätteröl kann auch das Veilchenblütenöl gewonnen werden, in dem sich bisher 50 Einzelstoffe nachweisen ließen. Zunächst werden die frischen Blüten mit einem organischen Lösungsmittel (beispielsweise Petrolether) extrahiert. Nach Entfernung des organischen Lösungsmittels verbleibt als Rückstand das konkrete Blütenöl, das noch nicht ölige Stoffe wie beispielsweise Wachse enthält. Bei der Extraktion von 1 kg Veilchenblüten gewinnt man 1,5 bis 1,8 g konkretes Blütenöl. Um die nicht öligen Substanzen zu entfernen, wird das konkrete Öl mit Ethanol behandelt, das diese Stoffe herauslöst. Das von den Nebenbestandteilen befreite, reine etherische Öl ist das absolute Blütenöl. 1 kg Veilchenblüte liefert etwa 0,03 g absolutes Öl. Dies erklärt seinen sehr hohen Preis, der heute bis ca. 8.500 € pro kg betragen kann. Das absolute Blütenöl ist eine dunkelgrüne bis braune Flüssigkeit und riecht unverdünnt nur wenig nach Veilchen; erst ab einer Verdünnung von 1:5.000 bis 1:10.000 tritt der Duft deutlich hervor.

Hinsichtlich der Bezeichnung „Veilchenwurzel“ ist auf Folgendes hinzuweisen: Als „Veilchenwurzeln“ werden irritierend auch die Wurzeln der Iris (Iris pallida L., Schwertlilie) benannt, da diese einen Geruch nach Veilchen aufweisen. Die Iriswurzel ist aber naturgemäß nicht identisch mit der echten Veilchenwurzel (Radix Violae).

Pharmazeutische Zubereitungen und Anwendungen

Obwohl Zubereitungen des Veilchens heute keine weit verbreitete heilkundliche Anwendung finden, behauptet das Veilchen nach wie vor einen Platz in der Phytotherapie. Dabei verbietet sich allerdings der Einsatz von absolutem etherischen Veilchenblütenöl nicht selten aus Kostengründen.

Im Folgenden sind die Anwendungsmöglichkeiten für Viola odorata L. zusammengestellt:

Anwendung Wirkung
Veilchenblüten, getrocknet
als Bestandteil von Husten- und Bronchialtees oder als „Veilchen-Sirup“ expektorierend (auswurffördernd)
Veilchenblätter
oft in Kombination mit weiteren Heilpflanzendrogen expektorierend (auswurffördernd), harntreibend
Veilchenkraut
als Teezubereitung (zwei Teelöffel Kraut auf 250 ml Wasser) lindernd bei Husten, Keuchhusten, Bronchitis mit festsitzendem Schleim, schweißtreibend
als Teezubereitung für Hautwaschungen lindernd bei Hautleiden
Veilchenwurzel
als Teezubereitung bei Erkrankungen der Atmungsorgane sekretolytisch (Bronchialsekret verflüssigend)
als Teezubereitung bei rheumatischen Beschwerden
Veilchenblätteröl
bei Akne und fettiger Haut antibakteriell, schmerzstillend

In der Homöopathie (s. Homöopathisches Arzneibuch 1934) finden für Veilchen-Zubereitungen die frischen, zur Blütezeit gesammelten oberirdischen Pflanzenteile Verwendung. Als Indikationgebiete werden genannt: Entzündungen der Atemwege, rheumatische Erkrankungen, Ohrenschmerzen, Hautunreinheiten. Im Homöopathischen Arzneibuch 2005 wird Viola odorata L. nicht aufgeführt.

Weiterhin werden im Pharmaziehandel auch heute noch traditionelle Erzeugnisse angeboten, die neben weiteren Bestandteilen Veilchenblüten- oder -blätteröl enthalten und der Behandlung bestimmter Herz- bzw. Magen-Darmbeschwerden dienen. Im Abschnitt „Historische heilkundliche Anwendung“ wurde bereits auf die Nutzung von Veilchenzubereitungen zur Anregung der Herztätigkeit in der Naturheilkunde hingewiesen.

In der Parfümerie werden absolutes Veilchenblätter- und -blütenöl verwendet, um Duftkompositionen mit Veilchengeruch herzustellen.

Prof. (em.) Dr. rer. nat. habil. Hans-Joachim Walther
Freital, Juni 2006


Literatur (Auswahl)
    1. Chrubasik u. J. Chrubasik: Kompendium der Phytotherapie, Hippokrates Verlag Stuttgart, 1983
    1. Gildemeister: Die ätherischen Öle, 3. Band, Verlag Schimmel & Co. AG, Miltitz bei Leipzig, 1931
    1. Hiller u. M.F. Melzig: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg Berlin, 2003
  • Hunnius: Pharmazeutisches Wörterbuch, 8. Auflage, Walter de Gruyter Verlag Berlin New York, 1998

    1. Martinez u. R. Hartwig: Taschenbuch der Riechstoffe, Verlag Harri Deutsch, Thun und Frankfurt am Main, 1998