Wickel, Auflagen, Kompressen und Packungen

Autor/en: 
Andrea BollmannHeilpraktikerin

Wann und wie können Wickel & Co. verschiedene Erkrankungen positiv beeinflussen? Als bewährte Hausmittel sind sie gut verträglich, preiswert und kombinierbar mit anderen Therapien.

Alte Hausmittel neu entdeckt

Großmütter kennen sie meist noch sehr gut: Schmalzwickel, Wadenwickel bei Fieber, Holunderbeerensaft, Fenchel- oder Meerrettich-Honig.
Im Laufe der Zeit gerieten sie in Vergessenheit, sind aber in den letzten Jahren wieder auf dem Vormarsch: Hausmittel. Sie haben fast keine Nebenwirkungen, sind meist gut verträglich, kombinierbar auch mit schulmedizinischen Therapien und man hat die Zutaten dafür meist im Haus.

Historisches

Wickel sind Hausmittel, die sich schon seit vielen Jahren bewährt haben. Bekannteste Anwender waren Vincenz Prießnitz und Pfarrer Sebastian Kneipp.

Vincenz Prießnitz (1799–1851) behandelte seine eigenen Beschwerden mit kalten Kompressen und hatte damit Erfolg. Er gründete ein Therapiezentrum, in dem er versuchte, seine Patienten mit drastischen Methoden abzuhärten. Beispielsweise schnallte er sie auf eisernen Liegen fest und ließ eisiges Wasser aus 6 m Höhe auf sie herabschütten.

Pfarrer Sebastian Kneipp (1821–1897) wandte weniger heftige Methoden der Abhärtung an. Auch er hatte die Kaltwasserbehandlung erstmals erfolgreich an sich selbst getestet. Um seine Tuberkulose zu behandeln, stieg er jeden Tag in die eiskalte Donau. Seine hydrotherapeutischen Maßnahmen ergänzte er u. a. durch die Pflanzenheilkunde.

Verschiedene Bezeichnungen

Wickel eignen sich hervorragend zur häuslichen Anwendung. Ob sie nun Prießnitz-Wickel oder Kneipp-Kompressen heißen, es handelt sich immer um die äußerliche Anwendung befeuchteter Tücher (z. B. mit Kräuterabsud befeuchtet oder anderen Substanzen wie Quark). Kalte Wickel werden häufig Prießnitz-Wickel (nach Vincenz Prießnitz) genannt, Kneipp-Wickel (nach Pfarrer Kneipp) können sowohl Kalt- als auch Warmanwendungen sein.

  • Wickel = Umschlag: Körperteile werden in ihrem ganzen Umfang umwickelt (z. B. Brustwickel)
  • Auflagen: umfassen nicht den ganzen Körper, sondern liegen nur einseitig oder teilweise auf (z. B. Bienenwachs-Auflage)
  • Kompressen: bedecken nur kleine Körperregionen (z. B. Dampfkompresse)
  • Packungen: mehr als die Hälfte des Köpers wird eingepackt (z. B. Ganzpackung, „Nasses Hemd“)

Material und Aufbau

Empfehlenswert sind Materialien wie Leinen, Baumwolle, Seide oder Wolle. Der Stoff beeinflusst die Wirkung und kann auf der Haut als angenehm oder unangenehm empfunden werden. Die Stoffe sollten keine chemischen oder synthetischen Zusätze enthalten. Für feuchte Zusätze wie Quark sind Verbandmull oder Kompressen gut geeignet.

Wickel oder Packungen bestehen aus einem Innen- und einem Außentuch, bei Bedarf kommt ein Zwischentuch dazu.

1. Innentuch
  • nimmt Wasser und evtl. Zusätze auf
  • Geeignet sind dünne Baumwollstoffe wie z. B. Geschirrtücher, Betttücher oder Mullwindeln.
  • Baumwolle ist saugfähig und für Kochwäsche geeignet.
  • Leinen ist weniger saugfähig, bleibt aber länger kühl.
  • Größe je nach Behandlungsgebiet wählen
2. Zwischentuch
  • ist wichtig für wärmende Wickel
  • schützt das Außentuch vor Feuchtigkeit
  • Baumwoll- oder Frotteetücher reichen aus
  • sollte etwas größer als das Innentuch sein
3. Außentuch
  • hält warm
  • Woll-, Molton- oder Frotteetuch
  • Wenn es aus Wolle ist, möglichst nicht direkt auf die Haut legen wegen schlechterer Reinigungsmöglichkeiten.
  • soll größer sein als das Zwischentuch
4. evtl. erwärmte Dinkel- oder Kirschkernsäckchen für warme Wickel oder einen Kühlpack für kalte Wickel
5. Bettschutz
  • Strandtuch, Saunatuch oder gummierte Unterlage

Kalt oder Warm?

Warme Wickel sind immer so warm wie möglich aufzulegen.
Sie eignen sich z. B. bei chronisch-rheumatischen Erkrankungen der Muskeln, Muskelverspannungen, bei Arthrose oder zur Entspannung und Schmerzlinderung.

Kalte Wickel so kalt wie möglich anlegen.
Sie sind meist bei akuten Beschwerden wohltuend, z. B. bei fieberhaften Erkrankungen, Entzündungen, Prellungen, Verstauchungen oder Hämatomen. Sie dürfen nur auf einen völlig warmen Körper aufgelegt werden und der Patient darf nie frieren. Nach 10 Minuten sollte der Wickel nicht mehr als kalt empfunden werden. Ansonsten muss mit einer Wärmflasche und heißem Tee nachgeholfen werden. Tritt trotzdem keine Erwärmung ein, wird der Wickel abgenommen, der Körper trocken gerieben und weiter Wärme zugeführt. Nach kalten Anwendungen ist grundsätzlich auf Wiedererwärmung zu achten (Bettruhe oder Bewegung). Ausnahme: Bei Fieber dient die Anwendung der Hitzeausleitung.

Wie lange, Wie oft, Wann?

Allgemein sind 2 Anwendungen im Abstand von mehreren Stunden pro Tag ausreichend. Wärmeentziehende Wickel können bei akuten Erkrankungen öfter angewendet werden. Ruhepausen nach den Anwendungen sind wichtig für eine optimale Wirkung. Die Dauer der Anwendung ist vor allem abhängig von der Reaktion und dem Empfinden des Patienten. Grundsätzlich ist die Anwendung zu jeder Tageszeit möglich. Beruhigende, schlaffördernde Wickel (z. B. Lendenwickel, Wadenwickel) sind abends sinnvoll.

Welche Wickelarten gibt es?

Beispiele:

  • Halswickel
  • Wadenwickel
  • Brust-/Bauchwickel
  • Körperwickel
  • Ohrenwickel

Grundregeln der Anwendung

Ruhe und Entspannung gehören zu jedem Wickel. Deshalb sollte der Patient vor dem Wickel Blase und Darm entleeren. Außerdem darf er nicht frieren. Es ist auf warme Hände und Füße zu achten, ansonsten mit einer Wärmflasche oder einem warmen Fußbad nachhelfen. Ein heißes Getränk kann die Wirkung des Wickels verstärken.

Beim Anlegen des Wickels sollte das Fenster geschlossen sein. Die Wickeltücher sollten dicht am Körper anliegen, so bleibt der Wickel länger warm. Dann wird der Patient gut bis über die Schultern zugedeckt. Während der Dauer des Wickels kann das Fenster leicht geöffnet werden.

Das Abnehmen des Wickels sollte rasch geschehen, um Erkältung zu vermeiden. Die Haut muss gut abgetrocknet werden. Nachruhe ist erforderlich.

Verhalten des Patienten

  • entspannt und ruhig liegen – nicht lesen!
  • Arme unter die Decke nehmen
  • bewusst atmen
  • bei großen Wickeln nie unbeaufsichtigt bleiben

Nachbehandlung

  • Körper mit Frottiertuch trockenreiben
  • mindestens 1 Stunde Nachruhe („Nachdünsten“ und Abklingen der Reaktion)
  • danach lauwarm abwaschen

Reinigung der Wickeltücher

  • Leinen- und Baumwolltücher nach jedem Gebrauch bei mindestens 80 °C waschen
  • Wolltücher lüften und möglichst in die Sonne legen

Rezepte und Anwendung

Ingwer-Auflage

Anwendung bei Husten, Bronchitis, Verschleimung, Muskel- und Gelenkschmerzen und zur Durchblutungsförderung der Haut.

3 EL pulverisierte Ingwerwurzel oder frisch geriebener Ingwer in 1/2 l heißes Wasser einrühren. Baumwolltuch darin einweichen, gut ausdrücken und auf die betroffene Stelle auflegen.

Kartoffel-Wickel

Anwendung bei Muskelschmerzen, Muskelverspannungen, Nackenschmerzen, Husten und Bronchitis.

4–5 Kartoffeln kochen und schälen. Die heißen Kartoffeln in ein Baumwolltuch legen, Tuch zusammenfalten und die Kartoffeln im Tuch zerquetschen. So heiß wie möglich auf die betroffene Stelle legen. Der Wickel bleibt solange aufliegen, bis er erkaltet ist.

Bei starkem Husten kann die Brust vorher mit etwas Eukalyptusöl (nicht bei Kleinkindern) eingerieben werden.

Kohl-Wickel

Anwendung bei Gelenkschmerzen wie z. B. Tennisarm, Gicht und Arthrose oder bei Bronchitis, Halsschmerzen und Insektenstichen.

Vorsicht: der Kohl-Wickel darf nicht auf offene Verletzungen gelegt werden!

1 bis 2 Kohl- oder Wirsingblätter mit einem Nudelholz oder einer Glasflasche so lange walzen, bis der Saft austritt. Wenn das Mittelstück recht dick ist, sollte man es vorher ausschneiden. Das Kohlblatt dann zimmerwarm auf die betroffene Stelle auflegen, bei chronischen Beschwerden kann es leicht angewärmt werden.

Der Wickel kann mit einer Mullbinde fixiert werden. Er sollte mindestens eine Stunde aufliegen, kann aber auch über Nacht einwirken. Nach dem Wickel kann die Haut mit etwas Johanniskraut-Öl eingerieben werden.

Quark-Wickel

Anwendung bei Halsschmerzen, Insektenstichen, Schwellungen und Rötungen, bei Gelenkentzündungen (wie z. B. Arthritis der Kniegelenke, Schleimbeutelentzündungen, Tennisellenbogen, Sehnenscheidenentzündung) und bei Bronchitis.

Magerquark (bei Gelenkentzündungen, Insektenstichen und Schwellungen darf er kalt sein, ansonsten Zimmertemperatur) ca. 1 cm dick auf ein Tuch aufstreichen und auf die betroffene Stelle legen.

Beim Halswickel ist zu beachten, dass die Wirbelsäule nicht mit einbezogen wird. Bei Insektenstichen kann man etwas Lavendelöl, bei Gelenkentzündungen etwas Angelikaöl zugeben.

Der Wickel sollte mindestens 20 Minuten (kann aber auch über Nacht) aufliegen.

Schmalz-Muskat-Wickel

Anwendung bei Reizhusten, krampfartigem Husten, Bronchitis und Verschleimung.

Etwas ungesalzenes, zimmerwarmes bzw. erwärmtes Schweineschmalz dick auf einen Leinenlappen auflegen, 1/2 TL frisch geriebene Muskatnuss darauf verteilen und auf die Brust auflegen.

Bei Kindern bitte besonders auf die Temperatur des Schmalzes achten!

Ein angewärmtes Dinkelkissen oder Kirschkernsäckchen darüber legen und aufliegen lassen, solange der Wickel angenehm ist. Der Wickel kann auch über Nacht aufliegen.

Senfwickel

Anwendung bei Lungenentzündung, Rippenfellentzündung, Bronchitis, hartnäckigem Husten und Nasen-Nebenhöhlenentzündung

Frisches Senfmehl mit warmem Wasser zu Brei verrühren und ½ cm dick auf ein feuchtes Tuch streichen. Wickel auf die Stirn oder um den Brustkorb (Brustwarzen z. B. durch Mulltupfer schützen) des Patienten legen. Die Dauer ist abhängig vom Befinden des Patienten. Alle paar Minuten kontrollieren, ob sich die gewünschte Rötung zeigt – dann Wickel sofort entfernen! Einen weiteren Wickel erst nach Abklingen der Hautreaktion anbringen.

Achtung! Bleibt der Wickel zu lange liegen, können „Brandblasen“ entstehen.

Zitronen-Wickel

Anwendung bei Halsentzündung und Heiserkeit.

Vorsicht: Wirbelsäule nicht mit wickeln!

Den Saft einer (ungespritzten) Zitrone mit heißem Wasser vermischen (1:1). Baumwolltuch eintauchen, gut auswringen und auf den Hals auflegen.

In der Regel 10 bis 20 Minuten aufliegen lassen. Bei manchen Patienten entsteht nach einiger Zeit ein leichtes Kribbeln oder Brennen. Dann sollte der Wickel abgenommen werden.

Zwiebel-Wickel/-Säckchen

Anwendung bei Bronchitis, Husten (zum Schleimlösen) und Ohrenschmerzen (Zwiebelsäckchen).

Zwiebeln schälen, würfeln und in einem Topf andünsten oder über Dampf erhitzen, In ein Baumwoll- oder Leinentuch wickeln und auf die Brust auflegen.

Für das Zwiebelsäckchen die gedünsteten Zwiebeln in ein Baumwoll- oder Leinensäckchen geben und auf das schmerzende Ohr auflegen.

Es sollte so lange aufliegen, bis der Wickel bzw. das Säckchen erkaltet ist.

2014

Andrea BollmannHeilpraktikerin

Nach selbst erlebten, überzeugenden Erfahrungen innerhalb der Familie kam die erfahrene Arzthelferin zu der Erkenntnis, dass Schulmedizin ihre Grenzen hat. Ihre langjährige Tätigkeit in einer Kinderarztpraxis und die daraus resultierenden Erfahrungen z.B. bei der Anwendung von Wickeln und anderen „alten Hausmittelchen“ halfen ihr, den Weg zur Heilpraktikerin einzuschlagen. 1997 schloss sie ihre Heilpraktikerausbildung erfolgreich ab. Ihre ganzheitlichen Kenntnisse konnte hierauf in einer Praxis für Schmerztherapie und in einer homöopathischen Praxis erweitern. Seit dem Jahr 2002 arbeitet sie in eigener Praxis in Dresden mit Tätigkeitsschwerpunkt Kinderhomöopathie. Als weitere Therapieverfahren übt sie z.B. Phytotherapie, Bachblütentherapie oder Neuraltherapie aus.