Wie kommt die Linde ins Honigglas?

Autor/en: 
Bertram SolfLehrer und Hobby-Imker

Im Lindenblütenhonig vereinigen sich die heilsamen Eigenschaften des Bienenhonigs und der „Heilpflanze des Jahres“ 2025. Was es braucht, um eine solche Kraftfülle zu erreichen, können Sie im Folgenden aus der Sicht eines Imkers erfahren.

30 Meter von meinem Bienenstand entfernt, steht eine große Sommerlinde. Mein Großvater hat diesen Baum gepflanzt, als meine Großeltern das Haus daneben kauften. Für uns als Kinder war sie ein idealer Kletterbaum, mittlerweile ist sie Anflugstelle für meine Bienen.

dieser Biene schmeckt es auf der Lindenblüte © NHV Theophrastus

dieser Biene schmeckt es auf der Lindenblüte © NHV Theophrastus

Wenn im Juni die Linde aufblüht, hört man es im ganzen Baum summen. Die Bienen, aber auch Hummeln oder Schwebfliegen, schwirren von Blüte zu Blüte und sammeln den Nektar, den sie in ihrem Honigmagen speichern, um ihn zum Bienenstock zu fliegen. Dabei wird er von den Bienen mit Enzymen vermischt und eingedickt. Im Bienenstock wird der Honig schließlich in den Waben eingelagert, damit das enthaltene Wasser noch verdunsten und der Honig reifen kann. Um ein 500-g-Glas Honig zu füllen, müsste eine Biene ca. 40.000-mal auf Nektarsuche gehen und dabei 2–7 Millionen Blüten anfliegen. Zum Glück ist es nicht nur eine Biene, sondern in Spitzenzeiten 40.000 pro Bienenvolk. Zusätzlich sammelt die Biene Blütenstaub, Pollen genannt, der sich auf ihrem Fell ansammelt. Durch das Anfliegen mehrerer Blüten bestäubt sie so ganz nebenbei die Blüten, auch die der Linde. Die Pollen sind für die Bienen Nahrung, denn sie sind reich an Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen. Die Bienen transportieren die Pollen als „Pollenhöschen“ – das sind kleine Klümpchen an ihren Hinterbeinen – zum Bienenstock. Der Imker erkennt an der Farbe der Pollen, die die Bienen in den Bienenstock eintragen, von welcher Pflanze sie eingesammelt wurden. Von Linden sind die Pollen typischerweise hellgelb. Wenn die Linde im Juli verblüht ist, bedeutet das für den Imker, dass die Sommerhonigernte ansteht. Dazu werden die Honigwaben dem Volk entnommen und entweder ausgeschleudert oder ausgepresst, um an den leckeren Honig zu kommen.

Bienen fliegen in den Eingang eines Bienenstockes © NHV Theophrastus

Bienen fliegen in den Eingang eines Bienenstockes © NHV Theophrastus

Mich um das Wohlergehen meiner Bienen zu kümmern, bedeutet auch einzuschätzen, welche Pflanzen in der Umgebung meines Bienenstandes in welcher Zeitabfolge blühen; unter Imkern sagt man dazu, welche Trachten es gibt. Günstig für die Bienen ist, wenn es ein Angebot von vielen verschiedenen Trachten gibt, denn jede Pflanze blüht nur kurze Zeit. Würden die Bienen mitten im Rapsfeld stehen, hätten sie für die Zeit der Rapsblüte ein Überangebot an Nektar, müssen nach dem Verblühen des Rapses jedoch umgesetzt werden, sonst würden sie keine Nahrung mehr finden. Erntet man von den Bienen an solch einem Standort direkt nach Verblühen der Tracht den Honig, erhält man einen reinen Trachtenhonig, in dem Falle Rapshonig.
Genauso verhält es sich, wenn in der näheren Umgebung des Bienenstandes wenig andere Pflanzen wachsen, die zeitgleich mit der Linde blühen. Dann kann ich als Imker Lindenblütenhonig als Trachtenhonig ernten. Dazu gebe ich den Bienen zu Beginn der Lindenblüte leere Waben, die sie nun mit dem zu Honig verarbeiteten Nektar füllen. Direkt, nachdem die Linden verblüht sind, wird dieser Honig geerntet und man erhält den Lindenhonig. Dieser Begriff passt sogar besser, weil der Lindenhonig in der Regel kein reiner Blütenhonig ist. Denn die zweite Möglichkeit für die Bienen Honig herzustellen, ist das Sammeln von Honigtau, also das Sammeln dessen, was saugende Insekten nach dem Genuss des Lindensaftes von Blättern und Trieben ausscheiden. Die Bienen bedienen sich gern daran, vor allem nach der Blütezeit der Lindenblüten. Der Honig, der aus diesem Gemisch von Lindenblüten und Honigtau entsteht, ist meist von lichter, zartgelber bis grünlich-gelber Farbe und von kräftigem, fast herbem Geschmack.

Ein Imker schaut sich beim Versorgen der Bienen ein Wabenrähmchen an. © Jürgen Hamann

Ein Imker schaut sich beim Versorgen der Bienen ein Wabenrähmchen an. © Jürgen Hamann, Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald Imker in Heppenheim, CC BY-SA 4.0

Lindenblütenhonig entfaltet eine entspannende, beruhigende Wirkung und wird als wohltuend bei Nervosität und Stress-Kopfschmerzen empfunden. Ebenso wird Lindenblütenhonig, ähnlich wie dem Lindenblütentee, eine wärmende und antiseptische Wirkung zugeschrieben. Daher ist er gut geeignet, um bei Husten und Erkältungen, egal ob mit oder ohne Fieber, angewendet zu werden. Auch bei Appetitlosigkeit empfiehlt man ihn. Es lohnt sich, ihn – idealerweise zusammen mit dem entsprechenden Lindenblütentee – vorbeugend zu verwenden, noch bevor sich Krankheitserreger eingenistet haben.

Freundliche Worte sind süß wie Honig – süß für die Seele und gesund für den Körper.
Sprüche 16,24

Der Genuss von hochwertigem Honig ist nicht nur gut für das körperliche Wohlbefinden, sondern auch Balsam für die Seele. Genauso wie freundliche Worte zu hören und weiterzugeben oder einfach unter einer Linde zu sitzen und über die Schöpfung zu staunen, während man den Bienen beim Sammeln zuschaut.

2025

Literatur:

Gesund mit Honig – Detlef Mix - Goldmann Verlag, München, 2006
Von Bienen, Honig und Gottes großer Güte – Susanne Müller – SCM Verlag, Holzgerlingen, 2022

Bertram SolfLehrer und Hobby-Imker

Bereits während des Studiums absolvierte Bertram Solf 2012 einen Imkerkurs und besuchte einen Honiglehrgang. Bis zu den eigenen Bienen dauerte es allerdings noch ein paar Jahre. Seit 2019 betreut er eine einstellige Anzahl Bienenvölker im familieneigenen Garten in der Nähe von Chemnitz und erntet zweimal im Jahr Honig.