Wasser, Erde, Luft und Sonne als Heilmittel

Autor/en: 
Dipl.-Ing. (FH) Maria VogelPharmazie-Ingenieurin

Keine Angst vor Sonne, Wasser und Co.! Sie sind wirkungsvolle Heilmittel der Natur. Wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen heute die positiven Erfahrungen vieler Menschheitsgenerationen.

Die Anwendung der natürlichen Heilmittel Wasser, Erde, Luft und Sonne können in die Gruppe der „Physikalischen Therapien“ eingeordnet werden. Diese Behandlungen sind sogenannte Reiztherapien, bei denen mechanische, thermische, elektrische oder chemische Reize gesetzt werden, auf die der Körper antwortet. Dieses Reiz-Reaktions-Muster aktiviert die Selbstheilungskräfte.

Streifzug durch die Geschichte

Manche Geheimnisse der natürlichen Heilmittel Wasser, Erde, Luft und Sonne ergründeten unsere Altvordern durch ihre gute Beobachtungsgabe und ihr Leben im Einklang mit der Natur. Vieles davon versiegte im Wandel der Zeiten und Sichtweisen und wurde später wieder neu entdeckt.

Schwitzbäder waren bereits den alten Germanen und den Indianern bekannt. Die Griechen maßen der Heliotherapie (= Sonnentherapie) große Bedeutung zu. Hippokrates (460 v. Chr.) erwähnt die Sonne ausdrücklich als gutes Heilmittel. Asklepiades von Prusa (ca. 100 v. Chr.) entwickelte eine Bädertherapie mit Bewegungsbehandlungen und Massagen. Im Mittelalter galten leichte Bekleidung oder gar nackte Körper als unsittlich. Die Kenntnis und Anwendung der Sonnentherapie verlor sich in dieser Zeit. Im 16. Jahrhundert analysierte Paracelsus verschiedene Heilquellen und schrieb seine Erkenntnisse in der Schrift „Über die natürlichen Warmbäder“ nieder. Ende des 18. Jahrhunderts wurden Sonnen- und Klimabehandlungen wiederentdeckt. Später kamen die Therapien mit künstlichem Licht und Strom hinzu.

So können wir heute von den Erfahrungen unserer Vorfahren profitieren. Wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigten oft das überlieferte Wissen. Die natürlichen Elemente Wasser, Erde, Luft und Sonne können von jedem selbst in einfacher, kostengünstiger Weise und größtenteils zu Hause angewendet werden.

Wasser

Wasser-Anwendungen sind zur Vorbeugung, zur Therapie akuter oder chronischer Krankheiten oder zur Nachbehandlung von Krankheiten nützlich. Bewährt haben sich z. B. Tautreten, Wassertreten, Kneipp'sche Güsse, Abreibungen, Dauerbrause, Dämpfe und Bäder, Wickel und Packungen.

Beim Tautreten sollte man 5 Minuten durch feuchtes Gras gehen, anschließend trockene Strümpfe anziehen und zur Wiedererwärmung einige Minuten schnell laufen. Wer keine Wiese vor dem Haus hat, kann auch Wassertreten anwenden. Dafür wird ein Gefäß bis kurz unter die Knie mit leitungskaltem Wasser gefüllt. Nun geht man auf der Stelle, indem bei jedem Schritt ein Bein ganz aus dem Wasser herausgezogen wird, so lange bis der Kältereiz zu stark wird. Danach sollte nicht abgetrocknet werden, sondern durch Fußgymnastik oder Gehen die Wiedererwärmung erzielt werden. Diese Anwendungen wirken stoffwechsel- und kreislaufanregend, durchblutungsfördernd, venenkräftigend und abhärtend.

Kneipp'sche Güsse können Flachgüsse (mit geringem Druck) oder Druckstrahlgüsse (aus 2–4 m Entfernung mit 1–3 atm) sein. Die Wirkung besteht in einer Stabilisierung des Wärmehaushalts vor allem im Bereich der feinen Haargefäße (Kapillaren), Venen und Lymphgefäße und in einer reflektorischen Wirkung, indem je durch die behandelten Körperteile auch Organe beeinflusst werden (Knie- und Schenkelguss wirken auf Organe im Bauchraum, Armguss und Oberguss wirken auf die Organe des Atmungs- und Herzkreislaufsystems).

Bei Abreibungen oder Waschungen wird der gesamte oder ein Teil des Körpers mit einem feucht-kalten Tuch kräftig massiert, was zur Kreislaufanregung und Durchblutungsförderung dient. Danach sollte sich der Patient ohne Abtrocknen im Bett erwärmen.

Die Dauerbrause ist nur in Kureinrichtungen möglich und wird am liegenden Menschen mit körperwarmem Wasser über einen längeren Zeitraum (bis zu einer Stunde) angewendet. Ziel ist die Förderung der Ausscheidung über die Haut.

Dämpfe werden hauptsächlich zu Kopfdampfbädern genutzt. Sie können unter Zusatz von Kräutern oder ätherischem Öl Erkältungen, Husten u. ä. lindern.

Eine weitere Form der Wasseranwendungen sind Bäder. Für zu Hause kann man je nach Beschwerden oder persönlicher Vorliebe dem Badewasser Salz, Moor, Kräuter oder in einer Trägersubstanz gelöstes ätherisches Öl zufügen.
Weitere medizinische Bäder, die nur in Kureinrichtungen oder Physiotherapien angeboten werden sind z. B.:

  • das Bewegungsbad dabei wird der Auftrieb des Wassers genutzt, um die Muskeln zu trainieren und den Kreislauf anzuregen

  • das Stangerbad geringer elektrischer Strom von 200–600 mA im Wasser soll positiv auf die Muskulatur und schmerzlindernd bei Neuralgien und Rheuma wirken

  • das Sauerstoffbad Sauerstoff wird dem Wasser während des Bades zugeführt, was die Durchblutung anregt

  • oder das Kohlensäurebad lauwarme Kohlensäurebäder senken den Blutdruck und entlasten das Herz

Wickel und Packungen finden Sie gesondert beschrieben in diesem Artikel: Wickel, Auflagen, Kompressen und Packungen

Erde und Schlamm

Die Verwendung von Erde und Schlamm als Heilmittel hat eine lange Tradition. Heute wird diese Art der Behandlung auch als Peloidtherapie (griechisch: pelos = Schlamm) bezeichnet und als Teil der Balneologie (Bäderheilkunde) verstanden. Die wichtigsten Peloide:

  • Torf
  • Fango
  • Heilerde

sollen hier kurz vorgestellt werden.

Moortherapie

Ausgangsmaterial einer Moortherapie ist Torf. Dieser wird unter Zugabe von heißem Wasser zu einem dicken Brei vermengt. Im Moor sind zahlreiche Wirkstoffe enthalten, deren Art und Konzentration von den zersetzten Pflanzen abhängig ist. Die im Moor gespeicherte, lang anhaltende Wärme kann tief und gleichmäßig in den Körper eindringen.

Bei vier Varianten der Moortherapie wird der Torf äußerlich angewendet:

  • Moorbäder
    Moor hält die Wärme über einen langen Zeitraum konstant und gibt sie sehr gleichmäßig ab.

  • Moorpackungen
    Bei Packungen kann das Moor für einzelne Körperbereiche höher temperiert sein.

  • Moorkneten
    Durch Kneten mit den Händen wird die Muskulatur gestärkt und die Durchblutung angeregt.

  • Moortreten
    Positive Effekte sind die durchblutungsfördernden und muskelaufbauenden Bewegungen sowie die gelenkschonenden Auftriebskräfte des Moores.

Mooranwendungen wirken schmerzlindernd, durchblutungsfördernd und entzündungshemmend. Sie sind angezeigt z. B. bei Durchblutungsstörungen, chronischen Schmerzen des Bewegungsapparates (z. B. Rheuma, Ischias), Bindegewebsschwäche, Verspannungen der Muskulatur, Sportverletzungen und Stoffwechselstörungen.

Innerlich wird Moor zu Trinkkuren verwendet, z. B. zur Sanierung der Darmflora, bei Entzündung der Magenschleimhaut und des Darms, bei Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren, Sodbrennen und Eisenmangel.

Fangoanwendungen

Der Begriff Fango kommt aus dem Italienischen und bedeutet soviel wie „(heilender) Schlamm“.

Man unterscheidet 2 Arten von Fango:

  1. Organischer Fango entsteht aus einer festen Komponente (Ton bzw. Lehm) und einer flüssigen Komponente (ständig zulaufendes Thermalwasser). Dieser Schlamm muss 60 Tage lang „reifen“, während der er mit Algen bzw. Mikroorganismen angereichert wird. Diese Fangoart wird vor allem in Italien verwendet.

  2. Anorganischer Fango wird aus pulverisiertem Vulkangestein gewonnen, welches mit Thermal- oder Mineralwasser vermischt wird. Hier wird auf die Reifung des Heilschlamms verzichtet. Manchmal wird er noch angereichert mit Radon, Sole oder Schwefel. Dieser Fango wird im übrigen Europa, hauptsächlich in Deutschland verwendet.

Auch bei Fangoanwendungen steht die schmerzlindernde und durchblutungsfördernde Wirkung im Vordergrund. Sie dienen der Entspannung der Muskulatur, der Lockerung des Bindegewebes und stärken das Immunsystem. Angewendet werden sie vor allem bei Erkrankungen des Bewegungsapparates und des Rheumatischen Formenkreises, bei Hautleiden, Prellungen, Verstauchungen oder Hexenschuss.

Heilerde

Heilerde ist ein Pulver, das aus eiszeitlichen Lössablagerungen gewonnen wird. Es wird getrocknet und gemahlen. Der hohe Feinheitsgrad und die dadurch vergrößerte Gesamtoberfläche ermöglichen der Heilerde ein besonderes Bindungsvermögen. Dadurch kann sie mit anderen Stoffen in Wechselwirkung treten und diese wie ein Schwamm anlagern und aufsaugen. Sie enthält eine natürliche Mischung von Mineralien und Spurenelementen. Heilerde wird meist mit kaltem Wasser angerührt.

Äußerlich kann Heilerde als Wickel, Verband, Auflage, Badezusatz oder Gesichtsmaske angewandt werden. Einsatzgebiete sind z. B. Akne, unreine Haut, Muskel- und Gelenkbeschwerden (Sportverletzungen) sowie Entzündungen. Dabei entfaltet sich die Wirkung im Wesentlichen durch die bei der Trocknung entstehende Saugwirkung von innen nach außen. Fett, Talg, Wundsekrete, andere Flüssigkeiten sowie darin gelöste und ungelöste Stoffe und Bakterien werden von der Heilerde aufgenommen und gebunden. Gleichzeitig wird der Hautstoffwechsel angeregt.

Neben der äußerlichen Anwendung kann Heilerde – innerlich eingenommen – bei Sodbrennen und Verdauungsbeschwerden helfen. Sie ist gut geeignet zur Entgiftung, Entschlackung und Darmsanierung und bindet Gerüche.

Bei innerlicher Anwendung kann Heilerde die Wirkstoffe anderer Medikamente binden und damit ihre Wirksamkeit einschränken. Deshalb sollte die Einnahme von Medikamenten immer erst zwei Stunden nach einer Heilerde-Anwendung erfolgen. Zu beachten ist auch der hohe Gehalt an Silizium bezüglich einer möglichen verstärkten Harnsteinbildung.

Luftbäder

Bei Luftbädern wird der unbekleidete Körper der Luft ausgesetzt. Für empfindliche Personen sind anfänglich auch Teilluftbäder (z. B. nur freier Oberkörper) möglich. Sie können zu jeder Zeit durchgeführt werden: in der kühleren Jahreszeit zuerst im geheizten, aber gelüfteten Zimmer, dann bei offenem Fenster und – wer die Möglichkeit hat – auch im Freien. Einige Minuten morgens nach dem Aufstehen oder abends vor dem Schlafengehen reichen für eine „Abhärtung“ aus. Bewegung in Form von Gymnastik ist zur Vermeidung von Wärmeverlusten zu empfehlen. Trockenbürsten der Haut hilft ebenfalls gegen das Frieren.

Luftbäder wirken kräftigend, abhärtend, kreislaufanregend, beruhigend und erfrischend.

Eine Sonneneinwirkung ist bei Luftbädern nicht unbedingt gewollt.

Sonnenbäder

Unter Einwirkung des Sonnenlichts wird im menschlichen Körper Vitamin D (als Vorstufe eines Hormons auch „Sonnenhormon“ genannt) gebildet. Es ist nicht nur für die Knochen von Bedeutung, sondern für nahezu alle Organe. Die Entstehung oder Vermeidung vieler chronischer Erkrankungen (z. B. Herzkrankheiten, Diabetes) wird davon beeinflusst. Zudem wirkt das Vitamin D vorbeugend bzw. hemmend bei zahlreichen Tumorerkrankungen.

Etwa 80–90 % der Bevölkerung sollen jedoch laut aktueller Forschungen mangelhaft mit Vitamin D versorgt sein. Grund hierfür ist unser Lebensstil, d. h. der unzureichende Aufenthalt in der Sonne. Außerdem hat die weit verbreitete Angst vor Hautkrebs die positiven Eigenschaften der Sonnenstrahlen vergessen lassen.

Laut dem Arzt Prof. Dr. Jörg Spitz „ist nicht die Sonne das Problem, sondern unser Umgang mit ihr“. Sich nur im Sommerurlaub ganztägig der Sonne auszusetzen, ist nicht gesund. Es empfiehlt sich bereits vorher ein möglichst regelmäßiger Aufenthalt mit wenig Kleidung von mindestens ¼ Stunde in der Sonne. Zu beachten ist, dass die Intensität der Sonne in Mitteleuropa nur von April bis September in der Zeit von 10–16 Uhr ausreichend für die Bildung von Vitamin D ist. Ein allgemeines Rezept für die ideale Dosis gibt es nicht. Das hängt ab vom Hauttyp (viel/wenig Pigment), dem Breitengrad, der Kleidung und der Jahres- und Tageszeit. Durch eine langsame Gewöhnung an längere „ Sonnenzeiten“ passt sich die Haut den Sonnenstrahlen an. Es entwickelt sich ein natürlicher Sonnenschutz durch Bräunung und Hautverdickung. Sonnenbrände sind auf jeden Fall zu vermeiden. Zum Hautschutz wird oft die Verwendung von Sonnencreme angeraten. Dies blockiert jedoch wiederum weitgehend die Bildung von Vitamin D! Der natürlichste Schutz vor Sonnenbrand ist Bekleidung bzw. Schatten.

Wer sich regelmäßig in der Sonne aufhält, kann Vitamin D für die dunkleren Monate im Fettgewebe speichern und dann im Winter davon zehren.

Außerdem ist Sonne bzw. Licht in der Lage, unsere Stimmung zu beeinflussen. Es sorgt für ein ausgeglichenes Verhältnis der Hormone Melatonin und Serotonin. Durch Licht steigt der Spiegel des „Glückshormons“ Serotonin an, das unter anderem positiv auf unsere Stimmung wirkt. Das „Schlafhormon“ Melatonin wird bei Dunkelheit vermehrt ausgeschüttet. Lichtmangel in den Herbst- und Wintermonaten kann daher das Gemüt trüben. Wem in dieser Zeit nicht der tägliche Aufenthalt im Freien möglich ist, dem kann Bestrahlung mit einer sehr hellen, künstlichen Lichtquelle von etwa 10.000 Lux Stärke über den Winter helfen. Ein Ersatz für die Vitamin-D-Bildung ist das jedoch nicht.

Wasser, Erde, Luft und Sonne sind relativ einfach anzuwendende Heilmittel. Sie sind preiswert, meist gut verträglich und kombinierbar auch mit schulmedizinischen Therapien. Das größte dabei aufzubringende Opfer ist die benötigte Zeit. Der Aufenthalt oder besser noch die Bewegung in der Natur ist eine gute Investition im Hinblick auf die Unterstützung eines gesunden Wachsens, Fitbleibens und Älterwerdens.

2014


Quellen
  • Bilz, F. E.: Das neue Naturheilverfahren, 75. Auflage, Jubiläums-Ausgabe, Verlag J. F. Bilz, Leipzig 1900

  • FIT Reisen-Ratgeber: Fango in Italien

  • Hütter-Becker, A; Dölken, M. (Hrg.): Physikalische Therapie, Massage, Elektrotherapie und Lymphdrainage, Thieme Verlag, 2. Auflage, Stuttgart 2011

  • Klein, Thomas: Sonnenlicht – das größte Gesundheitsgeheimnis, Hygeia-Verlag; 2. Auflage, Dresden 2010

  • Marktl, W.: Theorie und Praxis der Peloidtherapie, Facultas Verlag, Wien 1995

  • Spitz, Jörg: Superhormon Vitamin D, GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH; 3. Auflage, München 2011

  • Spitz, Jörg: Krebszellen mögen keine Sonne, Mankau Verlag GmbH, 2. Auflage, Murnau 2011

  • www.physikalische-medizin.at

Dipl.-Ing. (FH) Maria VogelPharmazie-Ingenieurin